Der streitbare jüdische Publizist Michel
Friedman beklagt, Rassismus und Antisemitismus seien in der Mitte der
Gesellschaft angekommen. Friedman hat die Pannenserie bei der
Aufklärung der NSU-Morde in diesen Kontext gestellt. Er hat die
Schriftsteller Martin Walser und Günter Grass in denselben Kontext
gestellt. Eine merkwürdige Kombination? Ja, eine sehr merkwürdige.
Und eine gefährliche.
Friedman bringt die falschen Belege für seine These – und er
entkräftet sie dadurch. Es ist sehr wohl des Nachdenkens und der
permanenten Kontrolle wert, wohin diese Gesellschaft in ihrer Mitte
steuert. Rassistische Tendenzen gab es und gibt es, antisemitische
ebenso. Aber die NSU-Mörder stehen nicht für die Mitte der
Gesellschaft, sondern für ihren Abgrund. Und Grass mag ein
literarisch plumpes, politisch naives Gedicht zur Rolle Israels
geschrieben haben – ein Antisemit ist er deswegen nicht. Martin
Walser hat vor Jahren eine provokante Rede in der Paulskirche
gehalten – eine Steilvorlage für echte oder vorgetäuschte
Missverständnisse. Ein Antisemit ist Walser nicht.
Friedman hat sich verrannt. Oder wollte er nur provozieren?
Jedenfalls: Die Art von Diskussion über Rassismus und Antisemitismus,
die der Gesellschaft gut täte, hat er eher abgewürgt als angeregt.
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