Die Streiks von Bahn und Lufthansa wirkten wie
Turbos für den Gesetzentwurf zur Tarifeinheit. Denn Millionen
Deutsche, die in den letzten Wochen vergeblich auf die Bahn warteten
oder nicht in Urlaub fliegen konnten, haben kein Verständnis mehr für
die Streiks kleiner Spartengewerkschaften. Aber auch
Lufthansa-Beschäftigte, die nicht Pilot sind, fürchten die
Auswirkungen der Streiks auf ihr Unternehmen, auf ihre Arbeitsplätze.
Seit das alte Tarifeinheitsgesetz 2010 gekippt wurde, steht die
Frage auf der politischen Tagesordnung, ob kleine, oft elitäre
Gewerkschaften, den Alltag von vielen derart lahmlegen dürfen. Leicht
zu beantworten ist die Frage nicht. Auf der einen Seite hat natürlich
niemand Interesse daran, dass Deutschland ein zersplittertes
Streikland wird und immer irgendwo gerade etwas lahmgelegt wird. Auf
der anderen Seite ist das Streikrecht von der Verfassung geschützt
und wurde, sieht man von den jüngsten Entwicklungen ab,
jahrzehntelang verantwortlich wahrgenommen.
Der Gesetzentwurf, den Arbeitsministerin Nahles jetzt vorlegt, ist
deshalb äußert vorsichtig. Er verfährt nach dem Motto „Wasch mir den
Pelz, aber mach mich nicht nass“. Er stellt weder Arbeitgeber noch
Gewerkschaften zufrieden.
Das könnte ein Indiz für einen gelungenen Kompromiss sein, ist es
aber nicht. Denn die heißen Eisen werden ausgeklammert. Die
Friedenspflicht wird – anders als im alten Tarifeinheitsgesetz –
ausdrücklich nicht erwähnt. Das Streikrecht wird also rechtlich nicht
angetastet, faktisch aber schon. Denn künftig gilt das
Mehrheitsrecht. Wenn aber kleine Gewerkschaften nur noch
Anhörungsrechte haben, aber nicht gestalten und keine Streiks
ausrufen können, geht es um ihre Existenz.
Hinzu kommt: Die Lokomotivführer-Gewerkschaft GDL, die für das
gesamte Zugpersonal verhandeln will, aber hier nicht die Mehrheit
hat, dürfte wohl nicht streiken, Cockpit für einen
Piloten-Tarifvertrag aber schon. In der Praxis heißt das am Ende nur:
neue Arbeit für das Verfassungsgericht.
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