Schwäbische Zeitung: Kluge Schiedsrichter – Kommentar

Was für ein Glück für Deutschland, dass es das
Bundesverfassungsgericht gibt. Ohne Karlsruhe wäre Deutschland als
Demokratie weniger stabil und als Rechtsstaat weniger liberal. Vor
allem im letzten Jahrzehnt gelang es dem Gericht, viele Konflikte zu
befrieden. Das Muster ist dabei oft ähnlich: Der Gesetzgeber wird
zwar punktuell gerügt, aber nicht in Bausch und Bogen verdammt. Auf
der anderen Seite freuen sich die Kritiker schon über einen
Teilerfolg.

Kein Wunder, dass sich nach Karlsruher Urteilen meist alle
Beteiligten als Sieger sehen. Zumindest in der Begründung eines
Urteils findet jeder etwas, das er als Bestätigung seiner Position
verkaufen kann. Mit derart klugen Kompromissen wurde das
Bundesverfassungsgericht zum anerkannten obersten Schiedsrichter der
deutschen Politik. Diesen Nimbus kann das Gericht dann auch für eher
unpopuläre Aufgaben einsetzen, etwa den Schutz der Grundrechte von
politischen, religiösen und sexuellen Minderheiten. So hat Karlsruhe
das Demonstrationsrecht von Rechtsradikalen gesichert oder die
Rechtsstellung von Transsexuellen verbessert. Für all das hätte es
keine politischen Mehrheiten gegeben. In den 50er-Jahren war ein
Gericht, das nur die Verfassung schützt und auslegt, ein Novum. Heute
haben viele Staaten Verfassungsgerichte. Das Karlsruher Modell hat
sich als Exportschlager erwiesen.

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