Gauck hat in Polen Klartext gesprochen – wieder
einmal, könnte man sagen. Der Bundespräsident bleibt seiner Linie
treu, die Befugnisse seines Amtes so auszudehnen, dass er mit
Widerspruch rechnen muss. Vor seinem Amtsantritt wurde er von seinen
Kritikern als eitler Schönredner verspottet. Diesen Ruf hat er längst
hinter sich gelassen. Ob bei der Sicherheitskonferenz in München,
beim Staatsbesuch in der Türkei – er spricht die Themen an, an denen
sich Politiker in Regierungsverantwortung lieber nicht die Finger
verbrennen. Dass er sich damit immer wieder Ärger einhandelt, nimmt
er offensichtlich in Kauf – so auch in Polen.
Die lauteste Klage über den Bundespräsidenten kommt, wie gehabt,
von der Linkspartei. Aber auch Kanzlerin Angela Merkel dürfte wenig
erfreut sein ob ihres selbstbewussten Staatsoberhauptes. Bezieht er
doch die Positionen, die sie schon längst hätte beziehen müssen, um
gegenüber Putin stark auftreten zu können. Doch die Kanzlerin
verharrt in der Sprache der Berufspolitiker, die sie zwar wenig
angreifbar, aber auch wenig greifbar macht – anders als Gauck.
Schade ist allerdings, dass der Bundespräsident in seiner Rede
keinen Satz über die sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkrieges
verloren hat. An sie – trotz der aktuellen Krise mit Russland – zu
erinnern, wäre dem Anlass und seinem Amt würdig gewesen.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de