Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Kohl – Der Streit schadet allen

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob Maike
Kohl-Richter ihre Finger im Spiel hat. Auch ist es töricht, ja
voyeuristisch, das Privatleben von Helmut Kohl analysieren zu wollen.
Seit Jahren gibt es Streit rund um den Altkanzler. Langjährige
politische Wegbegleiter fühlen sich von Kohls zweiter Ehefrau an den
Rand gedrängt oder gar abgeblockt. In regelmäßigen Abständen geben
sie ihren Unmut darüber zu Protokoll. Die zwei Söhne haben nach
eigenem Bekunden keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater. Helmut Kohl sagt
dazu nichts und verweist mit allem Recht auf seine Privatsphäre.
Punkt aus.

Anders zu bewerten ist jedoch der Streit über 630 Stunden
Tonbandaufnahmen von intensiven Gesprächen, die Kohl mit seinem
Ghostwriter Heribert Schwan geführt hat. Es handelt sich um den
politischen Nachlass eines Politikers, der mit seinem Handeln
Deutschland und Europa nachdrücklich geprägt hat. Juristisch geht es
um das Eigentumsrecht, politisch jedoch um die mögliche Einordnung
von Entscheidungen. Ein solcher Schatz gehört nicht in den Keller von
Privatpersonen. Er muss professionell archiviert und Wissenschaftlern
zur Verfügung gestellt werden. Es geht um die Deutungshoheit über
eine lange Regierungszeit, die je nach politischer Färbung negativ
oder positiv bewertet wird. Für Politikwissenschaftler und Historiker
sind diese Bänder ein Fundus für ihre Forschung. Deshalb ist
juristischer Streit fehl am Platz. Er schadet allen Beteiligten.

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