Schwäbische Zeitung: Kommentar zu Putin – Gnade des absoluten Herrschers

Jetzt habe er es mal wieder allen gezeigt, mag
Wladimir Putin gedacht haben: Die Kritik an den
Menschenrechtsverletzungen nimmt vor den Olympischen Winterspielen in
Sotschi zu – da lässt die drahtige Eminenz im Kreml mal kurz
Chodorkowski frei.

Man muss wirklich kein Freund der russischen Oligarchen sein, die
oft mit unsauberen Methoden nach dem Ende der Sowjetunion zu Reichtum
kamen, um die Behandlung Michail Chodorkowskis als himmelschreiende
Ungerechtigkeit zu verstehen.

Der einst reichste Mann Russlands, ein früherer Funktionär des
Jugendkonsomol, hatte die Macht Putins herausgefordert. Es reichte
ihm nicht, reich zu sein, er wollte auch ein demokratischeres
Russland. Zur Strafe saß er nun mehr als zehn Jahre in abgelegenen
Straflagern ein, wie zu Zeiten des Zaren oder der KPdSU.

Seine Begnadigung, so sie denn tatsächlich erfolgen sollte, ist
vor allem ein Propaganda-Coup für den russischen Präsidenten. Denn
welcher westliche Politiker könnte jetzt noch ernsthaft an einem
Boykott der Spiele von Sotschi festhalten? Die Welt möge schauen, wie
souverän und gewitzt er sei, mag Putin denken.

Schön für Michael Chodorkowski und die Damen der Pussy Riot, wenn
sie jetzt freikommen. Aber sie verdanken ihre Freiheit dem Gnadenakt
eines absoluten Herrschers.

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