Schwäbische Zeitung: Kommentar zum Streit um den Wettbewerb der Abfallwirtschaft

Sorge um den Mittelstand

Das deutsche Abfallrecht ist angestaubt. Viele Bestimmungen sind
seit Jahren überholt. Sie berücksichtigen weder den technischen
Fortschritt noch wirtschaftliche Entwicklungen.

Müll lässt sich mit modernen Sortieranlagen viel besser trennen
als noch vor zwei Jahrzehnten. Gut sortierter Abfall wiederum ist zum
wertvollen Handelsgut geworden, um das sich private Abfallfirmen und
staatliche Entsorger streiten. Dabei sind die Privaten in die
Defensive geraten, auch weil sie oft den Beweis schuldig blieben,
besser zu arbeiten als ihre kommunalen Konkurrenten.

Erinnert sei an den berühmten Tonnenkrieg vor fünf Jahren. Damals
zeigten sich einige Private in Norddeutschland von ihrer hässlichen
Seite: Zunächst lieferten sie sich mit den Kommunen einen Häuserkampf
ums Altpapier. Bis zu vier blaue Tonnen unterschiedlicher Unternehmen
standen in manchen Höfen. Dann brach die Finanzkrise aus. Der Markt
für Altpapier kollabierte, die Ballen stapelten sich in den Häfen.
Schlagartig verloren etliche Private das Interesse und zogen sich
zurück. Eine Kommune hätte sich das nie erlaubt. Solche Erfahrungen
bestärken viele Bürgermeister, die Entsorgung wieder zu
verstaatlichen: Gebührenordnung statt Wettbewerb.

Der ungezügelte Markt neigt nicht zum Ausgleich, das zeigt sich
beim Abfall besonders deutlich. Auf der einen Seite steht der
erstarkte Staat, der über Verbrennungsanlagen gebietet und
selbstbewusst nun noch den Verpackungsmüll für sich beansprucht. Auf
der anderen Seite stehen internationale Müllkonzerne, die sich mit
Handelsketten verbünden. Sie versuchen, Aufträge so aufzublähen, dass
regionale Entsorger nicht zum Zug kommen. Auf der Strecke bleibt der
Mittelstand. Er wird ausgegrenzt und zwischen den Machtblöcken
zerrieben.

Deutschland braucht neue Regeln für ein Zusammenwirken der
Kommunen und der Privaten. Denn niemand wünscht sich eine
Abfallwirtschaft ohne Wettbewerb. Der Gesetzgeber muss verhindern,
dass Monopolisten, egal ob privat oder kommunal, die Spielregeln
diktieren.

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