Schütze sich, wer kann
Wahrscheinlich ist die Bundeskanzlerin ganz froh über die
Sommerpause. Denn der Ärger um amerikanische Dienste, die gefräßig
alles speichern, was irgendwann einmal interessant werden könnte,
hätte mitten im politischen Kalender für die Regierung unangenehm
werden können. Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen deutschen
Geheimdiensten und der amerikanischen NSA, wie sie der Amerikaner mit
dem annullierten Pass, Edward Snowden, bekannt gemacht hat, nicht
wirklich überraschend. Natürlich arbeiten die Geheimdienste
befreundeter Länder zusammen, und gelegentlich erfährt der eine vom
anderen auch Dinge, die er bei illegalen Lauschangriffen und anderem
007-Gewerk hat auskundschaften können.
Umso überraschender sind zwei Aspekte: Erstens fehlt der Aufschrei
all jener, die den Exhibitionismus bei Facebook vielleicht normal
finden, aber doch selber entscheiden wollen, wer was über sie weiß.
Der zweite Aspekt ist die Nonchalance, mit der Angela Merkel über
diese Affäre hinwegzugehen scheint. Sie zuckt mit den Achseln und
lässt hilflos Treffen von amerikanischen und deutschen Beamten
anberaumen, bei denen dann über all das mal in aller zulässigen
Deutlichkeit gesprochen werden soll. Dabei ist diese Art der
Datenspäherei ein Eingriff in unsere Intimsphäre, wie bei einen
Einbruch, bei dem zwar nichts entwendet wurde, der Dieb sich aber
durch die Unterwäsche im Kleiderschrank gewühlt hat.
Dass wir alle transparenter werden und man Daten bei uns abfischen
kann, ist vermutlich der Preis dafür, dass wir heute von überall auf
der Welt unser Konto bei der Kreissparkasse verwalten oder der
Liebsten eine SMS schicken können. Doch neben all diesen
Errungenschaften erwartet der Bürger zu Recht Schutz. Nach dem
derzeitigen Stand schützt uns die Polizei vor dem Bankräuber, die
Bundeswehr bewahrt uns vor einem Krieg und die Lebensmittelbehörde
warnt uns vor Salmonellen in der Pasta. Nur vor dem heimlichen
Ausspähen unserer Daten kann und mag uns niemand schützen.
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