Der jüngste Pickerl-Streit ist ein Lehrstück zum
Zustand der Berliner Koalition: Mit dem Versuch, die
Autobahn-Vignette gegen den CSU-Verzicht aufs Betreuungsgeld
einzutauschen, machen die Liberalen die Politik zum Bazar – und
übersehen, dass die Regierten solche politischen Täuschereien
satthaben.
Die Deutschen haben sich längst daran gewöhnt, dass der Kuhhandel
zum politischen Tagesgeschäft gehört. Das beginnt damit, dass die
Raucher über die Tabaksteuer die Rentenversicherung stützen. Obwohl
Raucher kürzer leben und damit weniger Rente kassieren. Und das endet
seit Jahrzehnten damit, dass die Autofahrer mit ihrer Mineralölsteuer
überwiegend Dinge finanzieren, die absolut nichts mit dem
Straßenverkehr zu tun haben.
Nur insofern ist es logisch, dass die FDP einen Zusammenhang
zwischen Familienpolitik und Straßenmaut herstellen will. In Wahrheit
ist solche Fortsetzung des Schacherns jedoch ein weiterer Anlass für
wachsende Politikverdrossenheit. Nicht die Idee des
Bundesverkehrsministers, seine chronische Finanznot über eine streng
zweckgebundene Maut zu lindern, ist ein Skandal, sondern das
Ansinnen, im Gegenzug andere Staatsausgaben zu kürzen. Das Geld
reicht weder für ein bedarfsgerechtes Netz von Kinderkrippen, noch
für ein angemessen hohes Betreuungsgeld, und auch nicht für die
dringlichen Verkehrsprojekte. Dies, obwohl die Steuereinnahmen
sprudeln wie noch nie.
Wählerinnen und Wähler können sich an einer Hand abzählen, dass
sie zu den Verlierern gehören werden. Weil es hinter den Kulissen
nicht um ihr Wohl geht, sondern um die Gewohnheit, anderer Menschen
Geld ohne große Rücksicht auf deren Interessen einzusammeln. So
gesehen passt Ramsauers Vignette nicht ins System: Seinen Kritikern
wäre es wohl lieber, versteckter zu kassieren und mit dem Geld immer
neue Haushaltslöcher zu stopfen. „Autofahren für die Bankenrettung“
wäre dann ein noch viel naheliegender Wahlkampf-Slogan.
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