Auch das noch! Der Verlust des Stuttgarter
OB-Postens konfrontiert die CDU in Baden-Württemberg aufs Neue mit
einer für die Partei schmerzhaften Erkenntnis: Sie kann mit ihren
Konzepten und Köpfen nicht mehr in gewohnter Manier ankommen. Das ist
bitter für eine Partei, die jahrzehntelang die Macht im Land hatte.
Schon der Ausgang der vergangenen Landtagswahl hat den Stolz der
Christdemokraten verletzt. Gestern ging ihnen der nächste
Prestigeposten verloren – wieder an einen Grünen. Doch eine Sensation
ist das nicht mehr.
Warum hat sich Fritz Kuhn durchgesetzt? Bestimmt nicht wegen
seiner kühnen Visionen oder wegen seiner großen Ausstrahlung. In
Stuttgart an die Macht kommt ein Grüner, der nicht mehr zur
politischen Avantgarde seiner Partei gehört. Kuhn hat längst die
Nische der Anti-Atomkraft-Bewegung hinter sich gelassen. Und er steht
auch für das bürgerliche Milieu, in dem sich die Grünen – vor allem
zulasten der CDU – ausgebreitet haben.
Aber auch das hat eine Mehrheit der Stuttgarter gestern
klargemacht: Sie haben genug von der wegen Stuttgart21 gereizten
Grundstimmung in der Stadt. Sie wünschen sich mehr Ruhe und
Sachlichkeit in dieser Debatte. Das ist eine klare Absage an die
aggressiven Töne, die Sebastian Turner in der Endphase des
Wahlkampfes angeschlagen hat.
Turner hat sich aber nicht nur in dieser Frage verschätzt. Er hat
auch seine Startvorteile nicht genutzt: ein breites Bündnis an
Unterstützern und das Plus, gebürtiger Stuttgarter zu sein. Das war
ihm aber nicht anzumerken, er schien zu fremdeln. Die
„Brezel-Kampagne“ des früheren Werbefachmanns wirkte zudem eher
anbiedernd als kreativ.
Doch allein trägt er nicht die Schuld an der Niederlage. Die
Tatsache, dass die CDU in diesem so wichtigen Wahlkampf einen
parteilosen Kandidaten ins Rennen geschickt hat, belegt deren
Dilemma. Kluge, attraktive Köpfe sind Mangelware. Seiteneinsteiger
wie Turner bringen zu wenig Stimmen hinter sich, wenn der
Hauptkonkurrent einen Namen hat – und ein versierter Wahlkämpfer ist.
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