Schwäbische Zeitung: Leitartikel – Auf die SPD kommt es an

In Berlin sind die Tage des großen Taktierens
angebrochen. Angela Merkel hat gewonnen, aber sie steht alleine da.
Ihre möglichen Partner kehren ihr erst einmal den Rücken zu. Die
Grünen sind mit der Aufarbeitung ihrer Wahlschlappe und ihrer
personellen Erneuerung beschäftigt. Sie haben erstaunlich schnell die
Konsequenzen gezogen. Die SPD sucht verzweifelt mit dem alten
Personal nach neuen Wegen, mehr Wähler zu erreichen. Und selbst aus
den eigenen Reihen kommt Störfeuer für Merkel: Horst Seehofer denkt
wie immer an sich und die CSU, und gibt deshalb zu Protokoll, dass er
mit den derzeitigen Grünen schon mal gar nicht verhandeln will. Damit
treibt er entweder den Preis hoch, den die SPD mangels Konkurrenz
verlangen kann, oder aber seinen eigenen, wenn er sich
Sondierungsgespräche dann doch abhandeln lässt.

Mit solchen strategischen Winkelzügen kommt man nicht weiter. Der
SPD ist zwar eine Ruhephase zuzugestehen, und es ist auch
verständlich, dass sie sich Angela Merkel nicht an den Hals wirft.
Schließlich ist die Kanzlerin schon mit einer Gottesanbeterin
verglichen worden, die ihre jeweiligen Partner verspeist. Das stimmt
allerdings nur halb, weil die FDP durchaus auch einen eigenen Anteil
am Untergang hat. Aber dass Merkel Koalitionspartner nicht eben
pfleglich behandelt, ist einer ihrer Fehler.

Die SPD wiederum kann sich alles leisten, außer weiter zu
schrumpfen. Sie beschwört zwar tapfer ihren Mythos als Volkspartei,
doch nüchtern betrachtet ist dieser Status in Gefahr, wenn man nur
noch ein Viertel der Wähler erreicht. Sich Sondierungsgesprächen zu
verschließen steht keiner demokratischen Partei gut zu Gesicht. Nach
solchen Sondierungen aber kann man Ja oder Nein sagen. Kleine
Parteien können Koalitionen ablehnen, die ihnen nicht passen. Die
großen aber können es sich nicht leisten zu kneifen, wenn es auf sie
ankommt. Dann ist genau ihre Stärke, ihre Zuverlässigkeit gefragt.
Voraussichtlich wird es in Kürze auf die SPD ankommen, wenn
Deutschland eine stabile Regierung braucht.

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