Schwäbische Zeitung: Leitartikel – Die Verzweiflung der SPD

Stalking nennt es die SPD: das Werben der
Linken um eine rot-rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl. Nun
ist, wer unter Stalking leidet, ein unschuldiges Opfer. Ganz so
eindeutig verhält es sich mit der SPD nicht.

Unvergessen ist, wie Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti im
Wahlkampf eine Linkskoalition immer ausgeschlossen hatte, um sie dann
nachher doch anzustreben. Und noch frischer in Erinnerung ist
Hannelore Krafts Balanceakt, sich in Nordrhein-Westfalen erst einmal
von den Linken tolerieren zu lassen, um dann nach der Neuwahl auf
deren Hilfe verzichten zu können.

„Aber doch nicht im Bund!“, das versichern, bis auf wenige
Ausnahmen, fast alle in der SPD. Schließlich seien entscheidende
außenpolitische Weichenstellungen nicht mit einer Partei zu treffen,
die gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr ist und bislang gegen
jedes Eurorettungspaket gestimmt hat. Diese Versicherungen muss man
Peer Steinbrück und auch Frank-Walter Steinmeier glauben, die sich
nie anders verhalten haben.

Bei Parteichef Sigmar Gabriel aber sind Zweifel angebracht.
Schließlich ist der wendig genug, um den Gedanken zumindest nicht
ganz zu verdrängen, dass er sich nach der Wahl unter dem Motto „es
geht um das soziale Deutschland“ für eine Richtungsänderung erwärmen
könnte. Dass die Linken im Osten ganz vernünftig seien, hat er auch
schon betont. Und Oskar Lafontaine, der ehemalige SPD-Chef, der immer
ein großes Hindernis für ein solches Bündnis war – ist weg. Außerdem
hat der neue Linken-Chef Bernd Riexinger nicht Unrecht, wenn er
darauf hinweist, dass die DGB-Forderungen sich wie ein Programm für
eine Mehrheit links der Mitte lesen.

Sicher, die SPD hat bei allen Eurorettungsaktionen und bei allen
außenpolitischen Fragen immer bewiesen, dass sie verantwortlich
handelt. Trotzdem könnten die Verzweiflung und damit die Versuchung
diesmal besonders groß sein, wenn sich die Partei zwischen der
Alternative Schwarz-Gelb oder linkes Bündnis entscheiden müsste.

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