Schwäbische Zeitung: Leitartikel – Ein Zeichen von Demokratie

Es ist wahrscheinlich die Angst der Deutschen
vor italienischen Verhältnissen. In der politischen Kultur in
Deutschland gibt es das Thema einfach nicht. Ansonsten würde statt
über schwarzrote oder schwarzgrüne Koalitionsoptionen auch einmal
darüber nachgedacht, ob in Berlin nun eine Minderheitsregierung an
den Start gehen könnte.

Das Land brauche eine starke Regierung, intoniert bei solchen
Ideen der CDU-Fraktionschef Volker Kauder, der immer schon ein Freund
der Großen Koalition war. Warum eigentlich? Minderheit bedeutet nicht
automatisch Schwäche. Wer keine Mehrheit hat, muss um die beste
Lösung ringen und andere Abgeordnete überzeugen. Dann würde es auf
einmal um die Sache und um eine klare Positionierung gehen. Für den
Parlamentarismus wäre eine solche Ausgangslage ohne Wenn und Aber
gewinnbringend. Für einen Fraktionsvorsitzenden jedoch bedeutet so
ein Szenario schlaflose Nächte. Werden doch Abweichler, die mit der
anderen Seite stimmen, als Beweis des Verfalls der eigenen Autorität
gesehen.

Doch vor welchen Herausforderungen steht der künftige Bundestag?
Vor allem muss die Euro-Schuldenkrise beherzt angegangen werden, auch
wenn sie in jüngster Zeit in den Hintergrund geraten ist. Es müssen
noch vor der Europawahl im kommenden Jahr zügig politische
Grundsatzentscheidungen getroffen werden. Dabei sind Führung und
Verantwortungsgefühl gefragt. Sowohl von der Regierung als auch von
der Opposition. Warum sollte es Angela Merkel nicht gelingen, ihre
Europapolitik so zu gestalten, dass gewissenhafte
Oppositionspolitiker gemeinsam mit der Union Lösungen ausarbeiten?
Dies ist in der Vergangenheit geschehen und wird auch bei der
Gemeinschaft der Demokraten in der Zukunft so sein.

Die Akzeptanz einer solchen Politik wäre in der Bevölkerung hoch
und ein Gegenmittel gegen die so häufig beklagte Wahlmüdigkeit. Auf
anderen Politikfeldern würde der Wettbewerb zu Lösungen führen. Wir
nennen das Demokratie und die ist seit 1949 hierzulande sehr stabil.

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