Schwäbische Zeitung: Leitartikel – Lehrer brauchen keine Nachhilfe

Lehrer haben es schwer. Im Prinzip ergeht es
ihnen wie Jogi Löw. Wer vor dem Fernseher sitzt und irgendwann in
seinem Leben einmal unfallfrei gegen einen Ball getreten hat, weiß in
der Regel immer besser, wie die Fußballnationalmannschaft zu spielen
hat und warum Trainer Löw mit seiner Taktik falsch lag. Ein ähnliches
Problem haben die Pädagogen mit ihren Kritikern. Nörgler und Quengler
saßen auch irgendwann auf der Schulbank und fühlen sich bewandert,
dank ihrer eigenen Erfahrungen zu analysieren, was ein Lehrer vor der
Klasse zu tun oder zu lassen hat. Lehrerschelte, ob direkt oder
indirekt, ist deshalb dank des hochgerechneten Potenzials der
selbsternannten Experten ein probates Mittel, um ins Gespräch zu
kommen. Das weiß Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch und
handelt danach.

Wer möchte ihm nicht zustimmen, wenn er Lehrern rät, doch auch
einmal eine andere Art von Fortbildung zu versuchen: Nämlich
Betriebspraktika zu absolvieren, um Handwerk und Wirtschaft besser zu
verstehen. Im Grunde ist das keine so schlechte Idee und der
übertriebene Aufschrei der Gewerkschaften scheint Stoch Recht zu
geben. Dennoch liegt der Minister falsch, denn mit dem Postulat
unterstellt der oberste Dienstherr seinen Lehrkräften, sie wüssten
nicht so richtig, wie die Welt außerhalb der Klassenzimmer tickt. Das
ist nicht besonders klug, spricht die Landesregierung doch unablässig
von zwingend notwendigen Schulreformen. Und wer solche vorhat, sollte
die Lehrer an seiner Seite wissen.

Politiker und einige Eltern sollten endlich damit aufhören, von
den Lehrern die Rettung der Welt zu verlangen. Die im bundesweiten
Vergleich immer noch hervorragenden Schulen in Baden-Württemberg
geben ihr Bestes, um die Schüler auf ihr Berufsleben vorzubereiten.
Wer das Gegenteil behauptet, verbreitet leicht zu durchschauende
Ideologie. Verantwortung für Lehrer und Kinder wird anders
buchstabiert.

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