Schwäbische Zeitung: Placebo gegen rechts – Kommentar

Man muss nicht bis zum Sommer 2015 warten, um
zu ahnen, was die Enquete-Kommission zum Rechtsextremismus in
Baden-Württemberg herausfinden und empfehlen wird. Die Abgeordneten
und Experten werden feststellen, dass es auch im Südwesten Neonazis
gab und gibt. Man wird erklären, dass es Geld und Planungssicherheit
braucht für Prävention, Aufklärung und Netzwerke gegen rechts.

So weit, so bekannt. Bücher und Berichte mit diesem Inhalt gibt es
bereits bibliotheksweise. Mit dem Abschlussbericht der Enquete kommt
in etwas mehr als einem Jahr ein weiterer Band hinzu.

Die Kommission ist ein parlamentarisches Placebo – eine hübsch
anzuschauende Beruhigungspille ohne Wirkstoff. Die Behandlung zeigt
parteiübergreifend gute Absichten und sie tut nicht weh. Sie wirkt
aber auch nicht. Zumindest nicht da, wo sie es sollte – beim
zweifelnden Bürger.

Die Enquete zeigt, wie ratlos der Landtag inzwischen ist: Anders
als andere Länder wie Bayern, die früh und beherzt einen
Untersuchungsausschuss eingesetzt haben, schreckte man im Südwesten
davor zurück. Weil weder die alte schwarz-gelbe noch die neue
grün-rote Regierung Fehler bei Polizei und Verfassungsschutz sahen,
wurschtelte man lieber eine Ebene drunter weiter. Die Stuttgarter
Parlamentarier ließen sich in anderen Gremien informieren; das
Innenministerium ließ eigene Ermittler die eigene Ermittlungsarbeit
nachermitteln und kam zum wenig überraschenden Schluss, dass man
alles richtiggemacht habe.

Im Nachhinein erweist sich das als fatal:
Verschwörungstheoretikern wurde Tür und Tor geöffnet. Viele
Parlamentarier sind gleichzeitig des Themas überdrüssig und wollen
nicht noch einmal alles durchkauen. Andere – vor allem bei Grün und
Rot – haben ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss aus
Fraktionsdisziplin öfter heruntergeschluckt. Sie müssen nun
zuschauen, wie die CDU das Thema für sich entdeckt. Das vermeintliche
Placebo Enquete entpuppt sich am Ende womöglich als bittere Pille.

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