Es war gut gemeint, als die frühere
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt 2007 die Pflicht zur Versicherung
einführte – und damit manch hartes Einzelschicksal leichter machte
und mancher Kommune viel Geld ersparte. Denn häufig waren – wegen
Beitragsrückständen ausgeschlossene – Menschen zutiefst verzweifelt,
wenn sie plötzlich krank wurden. Und die teure Operation desjenigen,
der keine Versicherung mehr hatte, blieb am Ende am Sozialhilfeträger
hängen.
Es war also gut gemeint. Doch die Politik hat damit eine Regelung
geschaffen, die heute die Kassen ausbaden müssen, gesetzliche wie
private. Und das in zunehmendem Maß. Denn es sind meist die kleinen
Selbstständigen, die Einmannbetriebe, die nicht mehr zahlungskräftig
sind, manchmal Ältere, die gescheitert sind, oft junge Leute – die
häufig von den privaten Kassen mit günstigen Tarifen gelockt wurden.
Die Zahl dieser kleinen Selbstständigen ohne Erfolg wiederum nimmt
aufgrund der Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre stetig zu. Die
Pflicht zur Versicherung nutzt oft wenig, wenn man wenig Geld hat.
Doch für wirklich Hilfsbedürftige zahlt der Staat mit, in der
gesetzlichen wie in der privaten Versicherung. Versicherte aber, die
über der Hartz-IV-Grenze liegen und ihre Beiträge nicht zahlen,
schädigen in erster Linie ihre Mitversicherten. Bei den privaten
Kassen sogar ausschließlich, bei den gesetzlichen hilft der
Steuerzahler noch mit.
Die Privaten preschen deshalb vor. Sie denken an eine Art von
Notfall-Tarif oder Nichtzahler-Tarif, der nur noch die allernötigste
Versorgung absichert. Das ist wirklich eine Amerikanisierung des
Gesundheitssystems, wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach
anprangert. Aber ist das derzeitige deutsche Sozialsystem, in dem
man, ohne wirklich hilfsbedürftig zu sein, die Allgemeinheit der
Versicherten ausnutzen kann, besser? Die Praxis zeigt: Die
Krankenkassen brauchen stärkere Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein
starkes Gesundheitssystem erhalten bleiben soll.
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