Schwäbische Zeitung: Respekt vor dem Souverän – Kommentar

Bei dieser Europawahl stand der Souverän im
Zentrum wie bei keiner anderen zuvor. Es gab immerhin so etwas wie
einen Wahlkampf, es wird auch in den Tagen danach noch über die Wahl
gesprochen. Und die Entscheidung über den neuen
Kommissionspräsidenten fällt unter Berücksichtigung des Ergebnisses.
Die Staats- und Regierungschefs, soll das heißen, richten sich bei
ihrem Personalvorschlag an das Europäische Parlament nach dem
Wählerwillen. Der Kandidat der stärksten Fraktion soll es werden.

Davon ausgehend, kann nur Jean-Claude Juncker der neue
Kommissionschef werden. Egal, wie man politisch zu ihm oder seinem
soaizldemokratischen Konkurrenten Martin Schulz steht, es ist ein
Gebot des Respekts vor dem Souverän, nun eine schnelle Entscheidung
zu seinen Gunsten herbeizuführen. Herumlavieren, wie es Angela Merkel
tut, oder kleinkarierte Erbsenzählerei, wie sie Schulz veranstaltet,
sind kontraproduktiv.

Diese Wahl hat bei allen Erfolgen nämlich auch Schönheitsfehler.
Die geringe Wahlbeteiligung in manchen Staaten wirft Fragen nach der
Legitimität des Ergebnisses auf. Und dass es manchem Doppelstaatlern
möglich war, zwei Mal abzustimmen, verstößt gegen einen elementaren
Wahlgrundsatz. Wenn nun die Politik bei der Besetzung des
Kommissionschefs keine Rücksicht auf den Wählerwillen nimmt, läuft
sie Gefahr, das Parlament endgültig zu desavouieren. Angesichts einer
gewissen Aufbruchstimmung nach der Wahl wäre das schlichtweg fatal.

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