Schwäbische Zeitung: Sachsen verliert das Maß – Leitartikel

Was ist denn nur mit den Sachsen los? Es
scheint aus der Ferne, als habe man an der Elbe angesichts negativer
Nachrichten über Pegida-Demonstrationen und einen toten Asylbewerber
ein wenig das Maß verloren. Sowohl die Polizeiführung als auch die
Politik unter Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) scheinen
dieser Tage nicht immer Herr der Lage zu sein.

Da verbietet ein Polizeipräsident Demonstrationen in der
Landeshauptstadt. In seiner Allgemeinverfügung vom Sonntag erklärt er
ausdrücklich, dass es keine Hinweise auf die Identität möglicher
Attentäter gebe. Das wirkt dann bei Licht betrachtet eher so, als
wolle da einer seine Ruhe haben.

Man stelle sich vor, was es in Zukunft durch eine einfache
Textmitteilung auf Arabisch, die ein Geheimdienst abfängt, alles so
zu verbieten gäbe: Sagen wir in Zukunft ein Fußball-Länderspiel ab?
Was tun, wenn der nächste Bundesparteitag der CDU oder der
Evangelische Kirchentag in Stuttgart in einer vagen Androhung genannt
werden?

Die Bundespolitik distanziert sich bereits von einer sächsischen
Politik, die sich keine Gedanken zu machen scheint über den Schaden,
den sie anrichtet: Angela Merkel lässt erklären, dieses
Demonstrationsverbot sei eine sächsische Angelegenheit, FDP-Mann
Wolfgang Kubicki spricht sogar vom schlimmen Verdacht, dass die
Bedrohungslage konstruiert gewesen sein könnte.

Und als sei es nicht genug, verteidigt der sächsische
Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) das Demoverbot und lädt zu
einem Bürgerdialog ein. Das erinnert irgendwie an die letzten Tage
der DDR und an das Zugeständnis der SED, sich mit der Opposition an
einen Runden Tisch setzen zu wollen. Es verlangt nach jemandem, der
die Dresdner Politiker zur Räson ruft und ihnen erklärt, dass Pegida
im Jahre 2015 nicht die DDR-Bürgerbewegung im Jahr 1989 ist. Gerade
die Politik braucht in den Zeiten von islamistischem Terrorismus und
rechtsnationalistischen Drohungen vor allem eines: Augenmaß.

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