Schwäbische Zeitung: Spiele in einer nicht idealen Welt – Leitartikel

IOC-Präsident Thomas Bach wollte es noch einmal
gesagt haben: dass Olympische Spiele „für die Athleten da sind“ und
für „den Sport“. Kann man so sehen. Allzu oft bietet sich in einem
Sportlerleben nicht die Chance, um Olympia-Meriten zu kämpfen – und
vier Jahre des Trainings, des Verzichts sollen sehr wohl gewürdigt
sein.

In Sotschi wird der Blick dennoch nicht Zeiten und Weiten allein
gelten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) muss sich die
Frage gefallen lassen, ob es das nicht billigend in Kauf genommen
hat, als es (mit einem Vizepräsidenten Thomas Bach damals noch) 2007
die XXII. Winterspiele nach Russland vergab. So, wie es billigend in
Kauf genommen hat, dass seine Richtungsentscheidung dem Gigantismus
in der olympischen Bewegung auch die letzten Tore geöffnet hat, dass
das Fest des Sports (und mehr und mehr des Geldmachens) zu einem
hochpolitischen Vehikel werden würde für Wladimir Putins Zwecke. Zu
einer Demonstration seiner Stärke: Wenn Russlands Präsident einen
subtropischen Badeort binnen sechsdreiviertel Jahren zum
Wintersportresort machen möchte, setzt er das durch. Der Preis spielt
allenfalls für ein paar Menschenrechtler eine Rolle. Für ein paar
Umweltschützer vielleicht, für ein paar chronisch Oppositionelle.

Der Preis ist hoch: Kostenexplosion, Terrorgefahr, Ausbeutung von
Arbeitern, Naturfrevel, Repressalien gegen Kritiker, mangelnde
Nachhaltigkeit, Korruption, Homophobie und, und, und … Olympia ist
für die Athleten da? In einer idealen Welt: ja. In einer idealen Welt
mag es den Sport um des Sports willen geben, um des fairen
Wettstreits willen – weit weg davon, von Machtgetriebenen
instrumentalisiert zu werden. Das reale Sotschi des Februar 2014 ist
nicht ideal. Der reale Athlet des Februar 2014 läuft Gefahr, Statist
zu werden beim Politikum Winterspiele, schmückendes Beiwerk. Das
Denken wird er sich schon allein deshalb nicht verbieten lassen. Und
– hoffentlich – etwas zu sagen haben.

Die–s gern ideal hätten bei den Olympischen Spielen, sollten dem
Athleten dann genau zuhören.

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