Schwäbische Zeitung: Straßenbau: Einmal Gegner, immer Gegner – Leitartikel

Wer einmal ein Etikett erhalten hat, der bekommt
es nicht mehr so schnell weg. Besonders zäh haftet es einem Politiker
an, wenn er vom anderen Lager mit Genuss und ein ums andere Mal, ohne
Aussicht auf Gehör, in eine Ecke gedrängt wird. Frag nach bei
Winfried Hermann, Grüner, bekennender Fahrradfahrer, und kein
leidenschaftlicher Verfechter Freund des Straßenbaus.

Als grün-roter Verkehrsminister der Stuttgarter Koalition hat
Hermann gestern angekündigt, er werde beim Bund für Baden-Württemberg
mehr Mittel für die geplanten oder schon im Bau befindlichen
Autobahnen und Bundesstraßen anfordern. Auf Landesstraßen will er
erst sanieren und bestehende Baustellen abschließen, ehe neue
aufgemacht werden. Hermann hat gestern nicht gesagt, dass er neue
Straßenbauten ablehnt. Geklagt hat er allerdings darüber, dass die
Bestandsaufnahme in seinem Ministerium Deckungslücken im Straßenbau
in Milliardenhöhe zutage gefördert hat. Er hat auch moniert, dass er
natürlich wieder zum großen Neinsager abgestempelt werde. Seherischer
Gaben bedurfte es nicht. CDU und FDP haben nur darauf gewartet, bis
Hermann seine Androhung wahrgemacht hat, den Finanzierungsstau
vorzulegen. Es ist nun mal schön und bequem, Vorurteile zu pflegen.

Natürlich schweben Hermann neue Ideen in der Verkehrspolitik vor,
die nicht automatisch den Straßenbau bevorzugen. Darüber kann
gestritten werden. Gestern ging es ihm nur darum, die Kluft
aufzuzeigen, die zwischen der Zahl in der Vergangenheit eingegangener
Versprechen und tatsächlich auf den Weg gebrachter Vorhaben besteht.
Daraus ist sehr wohl abzulesen, dass die frühere Regierung, dem Druck
vor Ort gehorchend, häufig nachgegeben hat. Auf Jahrzehnte hinaus
sind dadurch theoretisch alle Mittel blockiert. Auch deswegen will
Hermann keine zusätzlichen neuen Straßen versprechen. Da er als
ideologisch vorbelastet gilt, tut sich die Opposition leicht, von den
eigenen Fehlern abzulenken.

Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Weitere Informationen unter:
http://