Schwäbische Zeitung: Taktik statt Visionen – Leitartikel

Das vorerst letzte Kapitel der schier
unendlichen Geschichte ist geschlossen, das Betreuungsgeld kommt –
zum 1. August 2013, nicht ganz zufällig noch kurz vor der
Bundestagswahl und vor allem vor der bayerischen Landtagswahl. Auch
die Abschaffung der Praxisgebühr fällt ins Wahljahr. Und zusätzliche
Mittel für die Verkehrsinfrastruktur gibt es auch noch.

Trotz all dieser Wohltaten haben die Haushälter gebastelt und die
geplante Neuverschuldung etwas gesenkt. Während die Koalition sich
deshalb eines großen Sparhaushaltes, ja sogar einer „schwäbischen
Haushaltsgemeinschaft“ rühmt, spricht die Opposition von
„Aufhübschung“ für den Wahlkampf. Und da hat sie recht. Denn die
schwarze Null bleibt eine Vision. Zukunftsmusik. Stattdessen wird
hin- und hergeschoben, Privatisierungserlöse werden eingeplant und
gleichzeitig die Sozialkassen geschröpft.

Die Beschlüsse sichern die Überlebensfähigkeit der Koalition, aber
zukunftsgerichtete Politik sieht anders aus. Eine solche denkt nicht
vom drohenden Ende der Koalition her. Sie stellt nicht schnell die
CSU mit Betreuungsgeld und die FDP mit Abschaffung der Praxisgebühr
zufrieden, sondern sie definiert sich von den Zielen her. Wie kann
man mehr junge Familien zu Kindern ermuntern? Wie kann man
Bildungsanstrengungen verstärken, wie die Energiewende beschleunigen?

Das größte Plus der Koalition ist zurzeit die Schwäche des
SPD-Kanzlerkandidaten. Der griff zwar gestern die Regierung an den
richtigen Punkten an, ist aber seit der Diskussion um sein Bochumer
Honorar selbst angreifbar geworden. Rein rechtlich hat er keinen
Fehler gemacht. Aber politisch.

Natürlich darf ein Sozialdemokrat zugleich auch Millionär sein.
Aber einer, der die schlechte Finanzlage der Kommunen beklagt und
sich andererseits ausgerechnet von einem städtischen Unternehmen
höher honorieren lässt als von jeder Bank, der ist eine gute
Zielscheibe.

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