Schwäbische Zeitung: Transparenz bleibt ein Wunsch – Leitartikel

Geheimdienste agieren im Geheimen, das liegt in
der Natur der Sache. In der jetzt bekannt gewordenen Affäre um
massenhaft abgeschöpfte digitale Daten nun „absolute Transparenz“ zu
verlangen, wie es die deutsche Justizministerin am Freitag getan hat,
klingt weltfremd. Es ist anzunehmen, dass die US-Geheimdienste vor
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nicht einknicken werden.

Besorgniserregend sind die jetzt bekannt gewordenen Vorwürfe
allemal. Um so mehr, als sich die Liste der beteiligten Firmen liest
wie ein Who is Who der Internet-Branche. Die hat schon in der
Vergangenheit immer wieder Datenschützer erzürnt. Wenn nun
ausgerechnet Facebook mitteilt, der Schutz der Privatsphäre habe für
das Unternehmen höchste Priorität, klingt das wie ein schlechter
Witz.

Rechtliche Grundlage der Eingriffe in die Privatsphäre ist der
„Patriot Act“ – jenes Gesetz, mit dem die US-Regierung Bush nach dem
11. September 2001 in die Grundrechte ihrer Bürgern eingegriffen hat.
Jetzt heißt es zur Beschwichtigung des heimischen Publikums, es
würden nur Daten von Nicht-US-Bürgern erfasst, die außerhalb des
Landes lebten. Will sagen: Amerikanische Daten sind bei
amerikanischen Unternehmen sicher. Deutsche Daten nicht.

In der Steuer- und Sozialpolitik hat die Skepsis gegenüber dem
Staat in den USA Tradition. In Fragen des Datenschutzes ist diese
Skepsis schwächer ausgeprägt – auch wenn die Zeiten vorbei sind, in
denen das Aushebeln von Bürgerrechten unter Verweis auf die innere
Sicherheit nur leisen Widerspruch geweckt hat.

Angeführt wird das Totschlag-Argument der Sicherheit allerdings
noch immer. Die Datensammlung habe es ermöglicht, einen „bedeutenden
Fall von Terrorismus zu stoppen“, sagte ein eingeweihter
US-Abgeordneter am Freitag. Wann, wo, wie – das bleibt geheim. So
lange die US-Bürger ihre Repräsentanten mit solchen Argumenten
durchkommen lassen, wird Frau Leutheusser-Schnarrenberger auf
„absolute Transparenz“ warten müssen. Wir Internetnutzer ebenfalls.

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