Sie müsste den Namen „blutrote“ tragen, diese
Fortsetzung der „orangenen Revolution“ in der Ukraine. Anders als bei
dem Volksaufstand gegen manipulierte Wahlen vor neun Jahren, bezahlt
das Land jetzt einen hohen Preis für die Entmachtung eines
reaktionären Präsidenten. Mehr als 70 Menschen ließen in der
vergangenen Woche bei den Straßenschlachten ihr Leben. Kiews
Innenstadt ist verwüstet. Was haben die 45 Millionen Ukrainer
gewonnen? Eine Chance auf demokratischen Neubeginn, die jedoch ein
großes Risiko birgt. Die direkten Folgen des Sturzes von Präsident
Wiktor Janukowitsch sind jedenfalls politische Instabilität und eine
Verschlechterung der Beziehungen zum Nachbarn Russland.
Im Mai werden die Revolutionäre ihre neue Staatsführung wählen.
Der Sieger der Abstimmung erhält die unmögliche Aufgabe, das
gespaltene Land zu regieren. Keine der großen Oppositionsfiguren –
weder die kompromisslose „Gasprinzessin“ Julia Timoschenko noch der
vom Boxer zum Volkstribun gewandelte Vitali Klitschko – haben das
Format und das Fingerspitzengefühl, um souverän in den politischen
Stürmen zwischen Russland und der EU zu navigieren. Und wer sagt
denn, dass vor der Wahl nicht ein „reformorientierter“ Kandidat
auftaucht, der mit einem pragmatischen Annäherungskurs auf Moskau
punkten wird? Womöglich werden die Früchte der „blutroten Revolution“
noch bitter schmecken.
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