Schwäbische Zeitung: Versöhnlich, aber vage – Leitartikel zum Thema Griechenland

Kommt jetzt die Wende im deutsch-griechischen
Verhältnis? Nach all den Kampfansagen, Schuldzuweisungen,
Reparationsforderungen, Stinkefingern und dem Beleidigtsein der
letzten Woche stehen die Zeichen auf Entspannung. Griechenlands
Regierungschef Tsipras spricht schon von einer Schönwetter-Lage,
Merkel aber bleibt skeptisch. Zu Recht. Das europäisch-griechische
Tauziehen ist noch lange nicht beendet. Offen ist, ob Tsipras seinen
Erklärungen des guten Willens Taten folgen lässt. Seine Pläne ließ er
im Vagen.

Es liegt nicht allein an Berlin, ob Griechenland im Euro-Raum
bleibt, aber natürlich spielt Berlin in dieser Frage eine wichtige
Rolle. Merkel steht eine unliebsame Entscheidung ins Haus. Im Prinzip
heißt die: starker Euro oder starkes Europa? Es ist die Wahl zwischen
Skylla und Charybdis, zwischen den beiden gleich großen
Meerungeheuern der griechischen Mythologie: Wenn Merkel auf die
strengen Regeln des Euro pocht, um die Stärke des Euro zu erhalten,
dann rückt ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone nahe. Manche
halten ihn für verschmerzbar. Rein finanziell mag die Rechnung
aufgehen – kurzfristig. Denn politisch – und damit langfristig auch
finanziell – würde Europa leiden.

Das vielbeschworene „Haus Europa“ würde die Türen öffnen für
Staatsmänner wie Russlands Präsident Putin, der schon ganz eifrig
Hilfe für Griechenland anbietet. Keiner weiß so gut wie Putin, wie
sehr ein Euro-Austritt Griechenlands Europa spalten und schwächen
würde. Ein solcher Austritt würde das Signal in die Welt tragen, dass
Europa es nicht schafft, ein schwaches Mitglied im Geleitzug
mitzunehmen. Ein Zeichen, das Europa und auch den Euro schwächen
könnte.

Das alles weiß auch Tsipras. Er weiß, dass es für Berlin und
Brüssel am Ende billiger ist, Griechenland im Euroraum zu halten,
deshalb stellt er Forderungen wie jene, die Programme zu überdenken.
Tsipras lotet die Grenzen aus. Er muss aber bedenken, dass nicht nur
Griechenland, sondern auch die Europäer ein Gesicht zu wahren haben.

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