Schwäbische Zeitung: Widerstand gegen das Volk – Leitartikel

Roma locuta – causa finita: Rom hat gesprochen,
die Sache ist erledigt. Das geflügelte Wort ist eigentlich auf
innerkatholische Entscheidungsprozesse gemünzt, aber es lässt sich
unproblematisch auf demokratische Gepflogenheiten übertragen: Das
Volk hat gesprochen, also ist die Sache entschieden. So war das
gedacht mit der Demokratie, zumal in ihrer direkten Variante als
Volksabstimmung. Eine Selbstverständlichkeit? Ja, aber immer dann,
wenn Selbstverständliches in Erinnerung gerufen werden muss, verliert
es eben seinen Charakter der Selbstverständlichkeit.

Provozierend gefragt: Gehört es im weitesten Sinne zur
demokratischen Normalität, wenn 1700 Polizeibeamte aus aller Herren
Bundesländer nach Stuttgart verfrachtet werden müssen, um Bauarbeiten
zu schützen, die von der Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit
abgesegnet wurden? Klare Antwort: nein! Anders: Wer nach dem Ergebnis
des Volksentscheids der Meinung ist, er habe weiterhin das Recht,
mehr oder weniger gewaltsam Bäume, Juchtenkäfer oder den Südflügel
des Bahnhofs zu verteidigen, dem gebricht es am lupenreinen
Demokratieverständnis. Was die Herrschaften da treiben, ist weniger
Widerstand gegen S 21, es ist im Kern Widerstand gegen eine
demokratische Mehrheitsentscheidung. Die Gegner des Projekts mögen
diese Entscheidung für falsch halten und das auch in Zukunft deutlich
kundtun – aber sie haben sie zu akzeptieren. Punkt.

Sinngemäß hat der grüne Ministerpräsident dies mehrfach getan. Und
er hat gesagt, seine Niederlage bedeute gleichzeitig einen Sieg für
die demokratische Kultur im Lande. Wenn der nachhaltig sein soll,
dann muss sich auch der grüne Verkehrsminister in aller Klarheit von
denen distanzieren, die der Polizei zu schaffen machen. Die
Vorstellung, dass die Bauarbeiten in Stuttgart über Monate oder gar
Jahre nur mit einem Riesenaufgebot an Beamten vorangehen können, hat
etwas Abstruses.

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