Schwäbische Zeitung: Wiederholte Scheußlichkeit – Kommentar

Kurt Tucholsky, der große deutsche
Schriftsteller und Humanist, war im Jahr 1907 Zeuge der Hinrichtung
eines Raubmörders. Er hat dazu geschrieben: „Nun denke man sich, eine
Tür öffnet sich und sie zerren einen Menschen heraus, der soll
sterben und will nicht. Sein Opfer wollte es auch nicht – also wozu
die Scheußlichkeit wiederholen?“ Knapper, präziser kann man ein
Plädoyer gegen die Todesstrafe kaum in Worte fassen. Wozu die
Scheußlichkeit wiederholen? Der Mensch, der da jetzt in den USA mit
einer schlecht gemischten Giftspritze umgebracht worden ist, hat ein
furchtbares Verbrechen begangen. Dass die Angehörigen des Opfers dem
Todeskampf des Täters nichts Erschütterndes abgewinnen konnten, ja,
das muss irgendwie akzeptiert werden. Aber dass ein zivilisierter
Staat darauf besteht, die Scheußlichkeit zu wiederholen, das ist
nicht akzeptabel.

Nebenbei: In der Frage der Hinrichtungsmethode offenbart sich doch
eine Art schlechtes Gewissen. Dem Delinquenten darf, wenn er in den
Tod befördert wird, keine Grausamkeit widerfahren. Er soll möglichst
nichts merken und ganz gemütlich sterben: eine Perversion.

Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Weitere Informationen unter:
http://