Schwäbische Zeitung: „Winterkorn muss gehen“ – Leitartikel zu Volkswagen

Nichts ist unmöglich: Dieses Werbeversprechen
von Toyota hat Volkswagen nun wahr werden lassen – mit fatalen
Konsequenzen. Der Skandal um in den USA manipulierte Abgaswerte bei
Dieselfahrzeugen kann VW und die gesamte deutsche Automobilbranche
ins Schlingern bringen. Neben den unmittelbaren materiellen Schäden –
Strafzahlungen, Kosten für aufwendige Rückrufaktionen sowie
beträchtlichen Kurseinbrüchen an den Börsen – droht vor allem der
Verlust von Vertrauen auf dem ohnehin schwierigen US-Markt. Warum
sollten Käufer eine teure deutsche Karosse erwerben, wenn die schönen
Zusagen des Herstellers das glänzende Papier nicht wert sind, auf dem
sie stehen? Das Bestreben von VW jedenfalls, zum umweltfreundlichsten
Autokonzern der Welt aufzusteigen, ist jäh gebremst worden.

Verantwortlich für die betrügerischen Machenschaften ist
Konzernchef Martin Winterkorn. Zwar übersteigt es das
Vorstellungsvermögen, dass er die Manipulationen angeordnet hat.
Gleichwohl sind ernsthafte Zweifel geboten, dass der detailverliebte
Perfektionist, der sonst für sein Fachwissen bis hin zur kleinsten
Schraube bekannt ist und der den Konzern streng hierarchisch lenkt,
völlig ahnungslos war. Winterkorn, der auch als Chef der
Entwicklungsabteilung fungiert, muss ob der außergewöhnlich guten
Abgaswerte in den USA Verdacht geschöpft haben. Zumindest darf das
vom bestbezahlten Vorstand eines Dax-Konzerns erwartet werden. Aber
auch die völlige Unkenntnis, auf die sich der 68-jährige Schwabe
bislang beruft, stellt ihm ein Armutszeugnis aus. Sein Rücktritt ist
daher unausweichlich.

Die Affäre wirft zudem ein Schlaglicht auf ein Problem, das auch
in Europa bekannt ist: Die von den Herstellern angegebenen
Verbrauchswerte von Neuwagen weichen erheblich von dem ab, was auf
der Straße zu erreichen ist. Mit Manipulation hat das –
wahrscheinlich – nichts zu tun, sondern mit realitätsfremden
EU-Testvorgaben. Im Sinne des Verbraucherschutzes besteht auch hier
dringender Handlungsbedarf.

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