Schwäbische Zeitung: Zu Waffenlieferung in den Nordirak: Ehrlich bleiben

Diskutieren darf er, entscheiden nicht. Das ist
die ungute Situation, in welcher der Bundestag am Montag mit großem
Ernst die Frage der Waffenlieferungen an die Kurden debattierte –
genau am 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs.

Die Lehren könnten unterschiedlicher nicht gezogen werden. Die
einen, die wie Gregor Gysi meinen, gerade an einem solchen Tag dürfe
man doch keine Waffen exportieren. Dies sei immer ein Beitrag zum
Krieg. Die anderen, die an das militärische Eingreifen der Alliierten
gegen Deutschland und – ganz wichtig – die anschließende Hilfe beim
Wiederaufbau erinnern. Ein Erfolgsmodell.

Angela Merkel hat versucht, die Wende der deutschen Außenpolitik,
die von ihrer Verteidigungsministerin forciert wurde, zu erklären.
Kein Konflikt der Welt lasse sich allein militärisch lösen, aber es
gebe Konflikte, bei denen man militärisch eingreifen müsse, um wieder
Politik machen zu können. Man könne nicht immer warten und hoffen,
dass sich andere der akuten Gefahr stellen. Das hat Deutschland
jahrzehntelang getan.

Die Kultur der militärischen Zurückhaltung, die im letzten
Koalitionsvertrag noch verankert war, ist jetzt dem Anspruch von
Deutschlands stärkerer Rolle in der Welt gewichen. Eine Mehrheit der
Bevölkerung aber fühlt sich in der Kultur der militärischen
Zurückhaltung nach wie vor besser aufgehoben, ist gegen
Waffenlieferungen in den Irak. Diese Mehrheit muss Merkel jetzt erst
einmal vom Gegenteil überzeugen.

Die SPD, die in ihren Reihen mehr Skeptiker hat als die Union,
versucht, die Waffenlieferung als einmalige Hilfsaktion
herunterzuspielen. Das ist nicht ehrlich. Die Entscheidung zu
Waffenlieferungen in ein Krisengebiet ist ein großer Schritt, eine
grundsätzliche Neuorientierung. Dass der Bundestag dabei nur auf der
Zuschauer-Bank sitzt, ist falsch. Eine solche Wende in der deutschen
Außenpolitik muss – wenn schon nicht behutsam -, dann doch öffentlich
nachvollziehbar gestaltet werden. Die gestrige Debatte kann da nur
ein Anfang gewesen sein.

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