njaehrigen Bilanz der beiden FDP-Minister Westerwelle und Niebel erklaert der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Gernot Erler:
Eine solch niederschmetternde Bilanz in der Aussen- und Entwicklungspolitik nach einem Jahr schwarz-gelber Bundesregierung haetten sich auch die groessten Skeptiker kaum vorstellen koennen. Viel zerschlagenes Porzellan und weltweit ausgeloeste Irritationen – so lassen sich die zwoelf Monate Amtszeit von Westerwelle und Niebel noch am ehesten auf einen Punkt bringen.
Guido Westerwelle, als selbst ernannter Abruestungsminister gestartet, ist mittlerweile selbst fuer die eigenen Parteifreunde zu einer solchen Belastung geworden, dass er sogar aus den eigenen Reihen als „Gruessgottaugust“ verspottet wird.
Und die Atomwaffen auf deutschem Boden, die Westerwelle so schnell wie moeglich aus dem Land schaffen wollte, stehen immer noch da, wo sie bereits vorher waren. Inzwischen duerfte klar sein, dass ihr Verbleib in Deutschland laenger waehren wird, als der Verbleib von Westerwelle im Amt des Aussenministers.
Bei den entscheidenden internationalen Themen wie Afghanistan, Iran oder Nahost spielt die deutsche Aussenpolitik bestenfalls noch die Rolle eines Beobachters. Von Gestaltung keine Spur. Und mit dem nicht-staendigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, den sich der Aussenminister gerne auf seine Fahnen schreiben moechte, faehrt er wohl eher die Ernte ein, die andere vor ihm gesaet haben.
Am schlimmsten ist es aber um die Prioritaetensetzung in seinem eigenen Haus bestellt, wie ein Blick auf den Haushaltsentwurf fuer 2011 offenbart: Der Bereich Krisenpraevention, laut Westerwelle ein „fester Bestandteil deutscher Friedenspolitik“
soll um ein Drittel gekuerzt werden. Das gleiche gilt fuer den Bereich Abruestung. Damit aber nicht genug: Bei der Foerderung der Menschenrechte wird gleich um 50 Prozent gekuerzt und selbst bei der humanitaeren Soforthilfe, deren Bedeutung gerade erst wieder bei der Flutkatastrophe in Pakistan unterstrichen wurde, sollen 20 Prozent dem Rotstift zum Opfer fallen.
Westerwelle hat das Ansehen der deutschen Aussenpolitik in nur zwoelf Monaten massiv heruntergewirtschaftet. Nicht einmal im eigenen Kabinett wird er noch ernst genommen, wie der juengste Streit um die Frage der automatischen Sanktionen beim Euro-Stabilitaetspakt gezeigt hat.
Leider laesst sich ueber Westerwelles FDP-Amtskollegen Dirk Niebel nicht viel Positiveres feststellen: Niebel ist einer der ersten Minister in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der ein Ministerium leitet, das er eigentlich abschaffen wollte. Doch das scheint ihn nicht weiter zu stoeren.
Dafuer hat er gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Reihe verdienter Parteifreunde auf interessante Posten innerhalb seines Hauses gehievt. Sachkenntnis war dabei ein eher nachrangiges Kriterium.
Als naechstes hat er allen deutschen Hilfsorganisationen in Afghanistan mit der Aufkuendigung der Unterstuetzung gedroht, sollten sie nicht geraeuschlos mit der Bundeswehr kooperieren.
Dass dadurch der so dringend erforderliche zivile Aufbau in Afghanistan eher behindert als gefoerdert wird, ist Niebel wohl nicht so wichtig. Ein weiteres Markenzeichen liberaler Entwicklungspolitik scheint die Foerderung des deutschen Mittelstands zu sein. Bilaterale Projekte sollen kuenftig den Vorrang haben vor multilateraler Zusammenarbeit. Doch moderne Entwicklungszusammenarbeit zeichnet sich nicht durch nationale Alleingaenge aus, sondern koordiniert sich mit internationalen Partnern mit dem Ziel einer globalen Strukturpolitik.
Am schlimmsten sieht es aber im Bereich der international gemachten Zusagen aus. Schon heute ist klar, dass das Versprechen, bis 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens fuer Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, nicht gehalten werden kann. Nicht einmal die fuer dieses Jahr zugesagten 0,51 Prozent wurden erreicht. Doch damit nicht genug: In der Sommerpause verkuendete Niebel allen Ernstes, die Mittel fuer den Globalen Fond, aus dem Kampagnen gegen Aids und andere Epidemien finanziert werden, radikal zu kuerzen. Erst nach wochenlangen Protesten aus Zivilgesellschaft, Kirchen und Opposition hat die Bundesregierung diese Androhung zurueckgezogen. Doch das internationale Ansehen und Vertrauen ist ramponiert.
Zwoelf Monate Westerwelle und Niebel – eine ernuechternde Bilanz. Schon heute laesst sich feststellen, dass die Nachfolger, die irgendwann ihr Erbe anzutreten haben, einen grossen Besen benoetigen, um das zerschlagene Porzellan zusammenzufegen und den Vertrauens- und Ansehensverlust Deutschlands in der Welt zu reparieren.
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