Berlin / Frankfurt / Stuttgart, 3. Mai 2012 – Nach mittlerweile zwei Jahren Börsenlistings deutscher Mittelstandsanleihen fehlt es diesem Anleihesegment nach wie vor weitgehend an professionellen Standards. Zu diesem Ergebnis kommt Scope nach aktuellen Auswertungen dieses Anleihemarktes.
Inkonsistenz von Ratings und Renditen im Mittelstandssegment
Als wichtigstes Ergebnis hat Scope ein inkonsistentes Verhältnis von Ratings und Renditen festgestellt. Beispielsweise ist bei aktuell 48 gelisteten Mittelstandsanleihen die Stufe BBB (inkl. Notches nach oben und unten) die am häufigsten vergebene Ratingstufe. Auf Anleihen dieser Ratingstufe entfällt eine durchschnittliche Rendite von aktuell 13,3 Prozent (bei durchschnittlicher Restlaufzeit von 3-5 Jahren). Gleichzeitig müssen Investoren, die in großvolumige Large Cap-Bonds mit Ratings ebenfalls im BBB-Bereich investieren, Renditeabschläge von teilweise über 1000 Basispunkten gegenüber Mittelstandsanleihen hinnehmen. Scope hält die tatsächlichen Ausfallrisiken bei Mittelstandsanleihen für deutlich höher als die bestehenden Ratingnoten dies nahelegen. Rund 40 Prozent aller an den Mittelstandsbörsen emittierten Anleihen fallen in diese Rating-Renditekategorie.
„Brand Bonds“ mit signifikanten Renditeabschlägen
Auf der anderen Seite waren bei den sogenannten „Brand Bonds“ – Anleihen mit einer hohen Markenbindung beim Endkunden -, nach Scope-Analyse signifikante Renditeabschläge festzustellen. Die Anleihen von Golfino, Valensina, Walter Seidensticker, Katjes (2 Tranchen) und Semper idem Underberg weisen mit 5,6 Prozent eine deutlich niedrigere Rendite aus als die Rendite aller börsennotierten Mittelstandsanleihen in den drei großen Börsensegmenten (10,9 Prozent). Auch institutionelle Anleger waren bislang offenbar bereit, erhebliche Renditeabschläge für diese Markennamen hinzunehmen, dies trotz einer dem Gesamtsegment nicht überlegenen Anleihekonstruktion – und obwohl nur eine Anleihe, nämlich Golfino, ein Rating im Investment Grade aufwies.
Transparenzoffensive der Frankfurter Börse begrüßenswert
„Die Inkonsistenz von Ratings und Renditen ist auch eine Folge der im Markt noch nicht ausgereiften Ratingkultur“, so Florian Schoeller, Chief Executive Officer der Scope Group. „Zum echten Rating gehört unter anderem die fortlaufende Beobachtung von Emittenten und Anleihen.“ Anfangsratings, mit denen der Emittent um jeden Preis einen möglichst hohen Platzierungserfolg bei der Emission erreichen wolle, richteten mittelfristig Schaden im Markt an, denn sie verhinderten aufgrund ihrer mangelnden Kontinuität weiteres Wachstum. Insbesondere institutionelle Großanleger, so Schoeller, seien inzwischen wegen späterer, teilweise erheblicher Rating-Downgrades deutlich kritischer gegenüber Mittelstandsanleihen gestimmt. Ändere sich nichts, würden sie nachhaltig abgeschreckt, warnt der Scope-Chef. Schoeller fordert, die Maßstäbe für die Börsenfähigkeit von Emittenten und die Transpa-renzstandards nach der Emission deutlich zu erhöhen. „Dass Anfangsratings neuerdings im Frankfurter Entry Standard nicht mehr ausreichen, sondern dass künftig Emittenten permanent über die Einschätzung einer Ratingagentur verfügen müssen, ist eine begrüßenswerte Regelverschärfung der Frankfurter Börse“, so Schoeller.
Gesamtplatzierungsquote von rund 82 Prozent
Parallel zu den kritischen Stimmen waren die Platzierungszahlen im Segment der Mittelstandsanleihen zum Teil stark rückläufig. Die Scope-Erhebung bei den deutschen Börsen Bondm (Stuttgart), Entry Standard (Frankfurt) und Mittelstandsmarkt (Düsseldorf) hat ergeben, dass die Platzierungsquote seit Beginn des Segments – gemessen am prospektierten Emissionsvolumen in Höhe von 2,8 Mrd. Euro – aktuell bei 2,3 Mrd. Euro bzw. rund 82 Prozent liegt. Dabei kommt Bondm auf eine Platzierungsquote von 91 Prozent (1,5 Mrd. Euro), Entry Standard auf 65 Prozent (529 Mio. Euro) und der Mittelstandsmarkt auf knapp 80 Prozent. Die Platzierungsquote der Düsseldorfer Börse beruht auf Schätzungen, da bei der Scope-Befragung keine Platzierungszahlen mitgeteilt wurden.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass emissionsbegleitende Banken immer wieder Teile der Emissionen zunächst auf das eigene Buch nahmen. In der Folge kam es zu kursbelastenden Abgaben.
ScopeX BoMiC neuer Scope-Index für Mittelstandsanleihen
Der neu konzipierte „Scope Corporate Bond German MidCap Index“ (ScopeX BoMiC) hat (zurückgerechnet) nach einer Erholung zum Jahresauftakt im Frühjahr 2012 erneut an Wert verloren (zur Berechnung siehe unten). Scope erwartet mit zunehmendem Reifeprozess des Marktes insgesamt eine deutlich stärkere Risiko-Renditeadjustierung. Sollte es zunehmend zu Kreditereignissen und zu weiteren Insolvenzen kommen, werden Scope zufolge Renditen und Kupons ansteigen. Diesen Trend könnten nur konsistente und realitätsnahe Bewertungen aufhalten, so die Ratingagentur. Gleichzeitig wird sich nach Scope-Prognosen das aktuelle Durchschnittsvolumen der Mittelstandsbonds von derzeit knapp 59 Mio. Euro erhöhen; wenig liquide Kleinstemissionen dürften es dann schwerer haben.
Scope Ratings von Mittelstandsanleihen in Kürze
Scope Credit Rating, die für die Bewertung von Ausfallrisiken verantwortliche Einheit, führt derzeit für den Großteil aller gelisteten Mittelstandsanleihen unbeauftragte Ratings durch. Noch im Mai werden Ratings von 35 Mittelstandsanleihen veröffentlicht. Zielrichtung und Herangehensweise der Scope Ratings sowie mehr Details zu den Scope Analysen dieses Segments sind im neuen Newsletter „Scope RatingKompakt Unternehmensanleihen“ zu finden. Die Auftaktausgabe des künftig monatlich erscheinenden Informationsformats ist jetzt auf www.scope-group.com online.
Indexberechnung und Indexzusammensetzung
Der ScopeX BoMiC zeichnet die Kursentwicklung der 20 in Relation zu ihrem Emissionsvolumen nominal meistgehandelten und damit liquidesten, an Bondm, Entry Standard und Mittelstandsmarkt gelisteten Mittelstandsanleihen mit einer Kurshistorie von mindestens drei Monaten nach. Der ScopeX wird börsentäglich als Kursindex berechnet. Die Indexzusammensetzung wird vierteijährlich überprüft. Das maximale Gewicht pro Anleihe ist an den Anpassungstagen auf 15 Prozent begrenzt.
Weitere Informationen unter:
http://www.scope-group.com