Zur Diskussion ueber eine Beteiligung des Finanzsektors an den von ihm verursachten Krisenkosten ueber neue Steuern beziehungsweise Abgaben erklaert der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poss:
I.
Nach der weltweiten Finanzkrise und dem anschliessenden weltweiten Konjunkturabsturz rollt gegenwaertig die dritte Welle der Krise – die Staatsschuldenkrise. Insofern steht die Politik jetzt vor einer dreifachen Aufgabe:
– Durch geeignete Eingriffe auf den Finanzmaerkten erneuten Krisenbildungen dort wirksam vorzubeugen.
– Eine koordinierte Wachstums- und Konsolidierungspolitik zu implementieren, die einerseits einen Ausweg aus der Staatsschuldenkrise aufzeigt, andererseits das Wiederaufflammen der Krisenherde auf den Finanzmaerkten und in der Realwirtschaft vermeidet.
– Die Finanzindustrie als Krisenverursacher angemessen an den bei den Staaten entstandenen Krisenkosten (der IWF geht fuer die G20 von durchschnittlich mindestens 2,7 Prozent des BIP als reine Rettungskosten ohne die Folgen der Wachstumsverluste aus) zu beteiligen.
Es ist klar, dass diese grossen und sehr verschiedenen Aufgaben nicht mit einem einzelnen Instrument wirksam angegangen werden koennen. Es braucht im Gegenteil einen vielfaeltigen Mix aus regulatorischen, steuerlichen und wirtschaftspolitischen Massnahmen, um den Herausforderungen mit einiger Aussicht auf Erfolg begegnen zu koennen.
Insofern ist jeder Versuch zweifelhaft, von vorn herein moegliche Massnahmen nur als Alternativen zu diskutieren, anstatt zu ueberlegen, ob und gegebenenfalls wie verschiedene Instrumente kombiniert werden koennen, um die ganze breite der Aufgabenstellungen besser abdecken zu koennen.
II.
Insbesondere in der Debatte ueber moegliche steuer- beziehungsweise abgabenpolitische Instrumente ist es in den vergangenen Wochen – in vielen Faellen sicher nicht ohne Absicht
– zu solchen voreiligen Alternativstellungen gekommen, anstatt dass in Ruhe nach moeglichen Kombinationsmoeglichkeiten fuer eine breitere Zielerreichung gesucht wurde. So wurde seitens der Bundesregierung ueber Wochen die (Schein-)Alternative Transaktionssteuer vs. Bankenabgabe aufgebaut, in den letzten Tagen trat dann die vermeintliche Alternative Transaktionssteuer vs. Aktivitaetssteuer daneben beziehungsweise in den Vordergrund.
Dabei zielen die Instrumente zumindest primaer auf eine jeweils andere der oben genannten politischen Aufgaben:
– Die Bankenabgabe – in der von der Bundesregierung vorgesehenen vorn oder wesentlich besser in der vom IWF skizzierten Form einer risikoorientierten sogenannten „Financial Stability Contribution (FSC)“ – zielt primaer auf die Bildung eines Risikofonds zur besseren Bewaeltigung kuenftiger Krisen.
– Die ebenfalls vom IWF skizzierte Aktivitaetssteuer zielt primaer auf einen Beitrag der Finanzindustrie zu den bereits aufgelaufenen Krisenkosten in Form einer Besteuerung der Gewinne und der Lohnsumme der Institute.
– Die Transaktionssteuer zielt primaer auf eine Daempfung der Volatitlitaet der Finanzmaerkte durch eine Besteuerung jedes einzelnen Umsatzes, durchaus mit dem Ziel trotz sehr kleiner Steuersaetze bestimmte Spekulationstransaktionen oekonomisch unattraktiv zu machen und so zu unterbinden. Die Erzielung von Einnahmen zur Bewaeltigung der Krisenkosten ist dabei durchaus willkommen, aber eben nicht das zentrale Ziel.
Es ist deutlich erkennbar: Wer zwei dieser Instrumente als Alternative gegeneinander stellt, der spielt mindestens implizit auch verschiedene politische Zielsetzungen gegeneinander aus, die eigentlich aber alle gleichzeitig verfolgt werden muessen.
III.
Trotz der Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen – einmal Abgabe, einmal Steuer – duerfte es sich im deutschen Rechtsrahmen bei der Bankenabgabe und bei der Aktivitaetssteuer jeweils um eine Sonderabgabe des Finanzsektors handeln, wobei auf unterschiedliche Bemessungsgrundlagen Bezug genommen wird.
Hingegen waere die Transaktionssteuer eine Verkehrsteuer auf den Handel mit Finanzprodukten.
Plausibler als die zuletzt intensiv diskutierte Alternative Transaktionssteuer vs. Aktivitaetssteuer erscheint daher die Ueberlegung einer moeglichen Kombination der Transaktionssteuer mit einer Bankenabgabe im weiteren Sinne, wobei die Frage nach der besten Bemessungsgrundlage dieser Abgabe unter Abwaegung der verschiedenen Ansaetze der geplanten deutschen Abgabe, der Aktivitaetssteuer sowie der FSC zu beantworten ist.
Im Hinblick auf die Vorsorge fuer moegliche kuenftige Krisen erscheint dabei die auf das systemische Risiko zielende Komponente der FSC von besonderer Bedeutung, das sie zum Beispiel das Problem der unterschiedlichen Risikolastigkeit der verschiedenen Saeulen des Bankensystems in Deutschland wesentlich direkter in Rechnung stellt, als Bemessungsgrundlagen wie Umsatz, Gewinn oder Lohnsumme.
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