Der hessische Ministerpräsident und
stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier hat seine Partei vor
zu schnellen Festlegungen beim Ausstieg aus der Atomkraft gewarnt.
„Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir könnten uns von der
Kernkraft verabschieden und künftig unseren Strombedarf decken, weil
jeder hinterm Haus so einen kleinen Kühlschrank stehen hat und dann
in Kraft-Wärme-Kopplung machen kann. Das ist absurd,“ sagte der
hessische Regierungschef in einem Interview in der neuen, am
Donnerstag erscheinenden Ausgabe des Hamburgers Magazins stern. „Wir
müssen Realismus und Fakten stärker in die Debatte bringen. Das
gehört zur politischen Führung.“ Bouffier plädierte dafür, nach dem
Moratorium auch alte Atommeiler gegebenenfalls weiter laufen zu
lassen. Diese würden ergebnisoffen überprüft, danach werde
entschieden. „Ich habe keine Lust, dass mir permanent erklärt wird,
was nach dem Moratorium passiert“, so Bouffier. „Ich ersetze nicht
das Ergebnis einer Überprüfung durch meine Meinung. Sonst könnte man
sich ja den ganzen Kram schenken.“
Bouffier kritisierte das Erscheinungsbild seiner Partei und der
von ihr geführten Bundesregierung scharf. „Wir müssen weniger Zweifel
aufkommen lassen, wofür wir stehen“, sagte Bouffier. Er könne
„verstehen, dass die Menschen fragen: Wo ist hier eigentlich die
Linie?“ Der CDU-Vize rügte vor allem, dass die deutsche Regierung im
UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit China und Russland nicht für den
Libyen-Einsatz gestimmt habe. „Es ist der Eindruck entstanden, wir
seien nicht mehr bündnistreu. Das ist in der Tat sehr bedauerlich,
hat uns geschadet und darf nicht noch einmal passieren.“
Zu seinem Ruf als konservativer Hardliner sagte Bouffier, dessen
Sohn Volker jr. Ende März für die CDU in den Gießener Stadtrat
gewählt worden war: „Wenn Sie mich für konservativ halten, sollten
Sie mal meine Kinder hören.“ Da diese nicht regieren müssten, so der
CDU-Politiker im stern, „können sie ziemlich reinrassig vertreten,
was sie für richtig halten. Die sind viel entschiedener in ihren
Positionen, als ich das sein kann.“ So etwas brauche es auch, sagte
der hessische Ministerpräsident. „Ein Tritt in den Hintern tut uns
Alten manchmal ganz gut.“
Skeptisch äußerte sich Bouffier gegenüber möglichen Bündnissen mit
den Grünen. Diese würde er zwar „nie ausschließen, wenn es in der
Sache trägt“, aber, so der CDU-Vize im stern: „Im Bund sehe ich
Schwarz-Grün nach wie vor nicht. Da bin ich ganz bei meiner
Kanzlerin…Und in Hessen sind die Wege sehr weit.“ Zudem setzt
Bouffier auf das Überleben des gegenwärtigen Koalitionspartners: „Ich
glaube, dass sich die FDP wieder erholt.“
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stern-Redakteur
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