Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bietet
reformorientierten Politikern und Mitgliedern der Linkspartei die
Aufnahme bei den Sozialdemokraten. „Kommt zu uns, Genossen! Herzlich
willkommen in der SPD!“, sagte Gabriel in einem Gespräch mit dem
Fraktionsvize der Linken, Dietmar Bartsch, in der neuen, am
Donnerstag erscheinenden Ausgabe des Hamburger Magazins stern.
Eine frühere SED-Mitgliedschaft soll laut Gabriel kein
Hinderungsgrund mehr sein. „Ich wünsche mir, dass wir nicht jedem
Straftäter mehr Resozialisierungschancen geben als jemandem, der mal
in der SED war“, sagte er. In der Linkspartei sähen viele mit
Entsetzen, was in ihrer Partei passiere. „Jeder von denen“, fuhr
Gabriel fort, „die eine Mitte-Links-Politik wollen, die gestalten und
den schwarz-gelben Spuk beenden möchten, findet in der
Sozialdemokratie eine Heimat.“ Es gebe Leute in der Linkspartei, die
sich im Irrtum befänden, falls sie zur SPD kommen wollten – etwa
solche, die Joachim Gauck nicht zum Bundespräsidenten gewählt hätten,
weil er Chef der Stasi-Behörde war. „Aber es gibt einen anderen Teil
der Linkspartei, bei denen die Unterschiede zu uns inzwischen
überschaubar sind – vielleicht schon immer waren“, sagt Gabriel im
stern. „Ich würde dann nicht zuerst fragen: Hast du dich schon 33 mal
von deiner Biografie distanziert?“ Der SPD-Vorsitzende korrigierte
damit die vor zwei Jahrzehnten getroffene Entscheidung seiner Partei,
früheren SED-Mitgliedern den Wechsel zur SPD zu verweigern.
Ein Angebot von Ämtern und Mandaten für übertrittswillige
Politiker lehnte Gabriel in dem stern-Gespräch jedoch ab. „Ich möchte
niemanden kaufen“, sagte er. „Wir machen keine Ablöseverhandlungen
wie im Fußball.“ Jeder könne aber in der SPD etwas werden. Der
frühere FDP-Generalsekretär Günter Verheugen zum Beispiel sei
Bundesgeschäftsführer der SPD geworden, der Ex-Grüne Otto Schily
Bundesinnenminister. Dietmar Bartsch könne „schon morgen“ in die SPD
wechseln. „Er ist ein Ausnahmetalent in der deutschen Politik und
wird in den inneren Kämpfen seiner Partei einfach verschwendet.“ Auch
für eine Rückkehr des Co-Vorsitzenden der Linken, Klaus Ernst, in die
SPD zeigte sich Gabriel offen. „Der Werdegang von Klaus Ernst ist der
eines engagierten Gewerkschafters, der sich in die Linkspartei
verirrt hat.“ Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hingegen
werde vermutlich gar nicht erst auf die Idee kommen zurückzukehren.
Gabriel fügte hinzu: „Und das ist auch gut.“
Bartsch reagierte auf das Aufnahmeangebot Gabriels verhalten: „Um
mich dorthin zu kriegen, müsste die Linke sich so entwickeln, dass
sie nicht mehr meine Partei wäre.“ Auf den kommenden beiden
Parteitagen werde sie sich „fangen und finden“. Bartsch betonte in
dem stern-Gespräch aber: „Meine Gegner sind die CDU/CSU und die FDP,
nicht die SPD. Das ist bei uns in der Tat umstritten. Die Linke darf
keine Partei sein, die vor allem aus der Abgrenzung zur SPD ihre
Existenzberechtigung ableitet.“ Seine Partei solle vielmehr mit der
SPD strategisch auf ein Mitte-Links-Bündnis hinarbeiten.
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Hans-Ulrich Jörges
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