Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Pegida

Man mag schon gar nicht mehr hinhören, so
inhaltlich falsch, so egoman und menschenfeindlich ist die Mischung
aus Uninformiertheit, Ressentiments, Sozialneid und Rassismus. Anders
als bisher aber marschieren hier nicht einige Hundert Neonazis,
sondern es erheben sich Menschen aus ihren gut geheizten Wohnzimmern,
die ihrem Selbstbild nach die Mitte der Gesellschaft darstellen. Sie
nennen sich „besorgte Bürger“, und wenn man fragt, was sie besorgt,
dann hört man Antworten von grauenhafter Herzenskälte.

Auch wenn es sich um eine Minderheit handelt und ein Trost darin
liegt, dass fast ebenso viele Gegendemonstranten auf die Straße
gehen: die Pegida-Märsche sind das Zeichen einer beginnenden
Abwendung von jedem sicher geglaubten gesellschaftlichen Konsens. Was
sich nun auf der Straße zeigt, findet sich bereits als zentrale
Aussage der wachsenden Nichtwählerschaft, ist aber auch Grundlage des
Erfolges der AfD, dieses warmen Auffangbeckens für Enttäuschte.

Menschen an diesem Punkt zu erreichen wird für die Politik, für
die demokratische Gesellschaft schwierig. Denn wer überall
Verschwörung wittert, mit dem wird ein Diskurs unmöglich. Ausgrenzung
kann nicht das Mittel sein. Populistische Pflästerchen wie die
Deutschpflicht-Initiative der CSU begeben sich in widerwärtiger Weise
auf die irrationale Ebene der Pegida-Märsche. Eigentlich bleibt nur
allen Parteien, da hinzugehen, wo es wehtut, sich
auseinanderzusetzen, Fehler einzugestehen und den Bürgern zu sagen,
dass sie Teil der Gesellschaft sind. Einer Gesellschaft, die sich
mehrheitlich dafür entschieden hat, menschlich und fair und
freiheitlich verfasst zu sein, was ohne Zweifel etwas kostet und
manchmal auch eine Zumutung sein kann.

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