Exempel statuiert
Egal, ob die Verurteilten am Ende tatsächlich im Gefängnis landen,
das ägyptische Massenurteil mit seinen reihenweise verhängten
Fünf-Jahres-Strafen ist ein verheerendes Signal. Denn die Zweifel
wachsen, wie ernst es das post-revolutionäre Ägypten noch nimmt mit
der Garantie von Pluralität, politischer Vielfalt und kultureller
Offenheit. Was ist der künftige Stellenwert von Zivilgesellschaft und
Bürgersinn? Sind die neuen Mächtigen wirklich bereit, ihre
Gestaltungsmacht zu teilen mit einem bunten Spektrum von
Bürgerinitiativen, Stiftungen und Menschenrechtsorganisationen? Die
Kairoer Strafkammer jedenfalls wollte mit ihrer Prozessfarce ein
Exempel statuieren. Die in Ägypten verbliebenen Stiftungsmitarbeiter
wurden wie Schwerverbrecher im Eisenkäfig vorgeführt. Vor laufenden
Kameras dekretierte der Richter die Schließung und Beschlagnahme der
ausländischen Büros. Damit aber riskiert Ägypten nicht nur einen
tiefen Konflikt mit den USA, sondern auch mit dem stets gerne und
milde an den Nil blickenden Deutschland. Den neuen Mächtigen scheint
dies egal. Denn den Muslimbrüdern ist eine liberale Zivilgesellschaft
genauso unheimlich wie zuvor dem Militärrat. Sie wollen einen Umbau
der Gesellschaft und darüber nicht mehr mit sich reden lassen. Ihr
Kalkül: Haben sie per geplantem NGO-Gesetz die ausländischen
Stiftungen erst einmal an die Kandare genommen, bleibt ihnen mit den
ägyptischen Bürgergruppen leichtes Spiel. Der Kampf um das
gesellschaftliche Antlitz des post-revolutionären Ägyptens ist voll
entbrannt. Und es ist gut, dass sich Deutschland und Amerika weiter
einmischen.
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