Südwest Presse: KOMMENTAR · ANTI-PEGIDA

Gegen das dumpfe Wir-Gefühl

Wieder dröhnt es aus Dresden: „Wir sind das Volk“. Tausende
Demonstranten, die unter dem Banner der Pegida-Bewegung gegen die so
genannte Islamisierung des Abendlandes schreiten, reklamieren für
sich, Stimme der Mehrheit der Schweigenden zu sein. Sie irren sich.
In vielen Städten Deutschlands formierten sich gestern Gruppen, die
auf keinen Fall Teil des fremdenfeindlichen „Wir“ sein wollen. In
München, Kassel und Bonn formulierten Bürger, was eine wahre
zivilisatorische Leistung ist: Hilfsbereitschaft gegenüber Schwachen,
Offenheit gegenüber Menschen, die Terror und Kriege vertrieben haben.
Diese Gegenbewegungen sind ein Zeichen gegen Dumpfheit. Und sie
werden von einer breiten gesellschaftlichen Schicht getragen. Es ist
ein gutes Zeichen, dass Künstler, Kirchen, Gewerkschaften, die
Verbände von Muslimen und Juden Farbe bekennen. Und die Demonstranten
in Dresden? Treibt sie Unzufriedenheit auf die Straße oder
Abstiegsangst? Von allem vielleicht etwas, man weiß es nicht genau.
Denn viele verweigern sich dem Dialog, fürchten den Austausch der
Argumente. Es ist billig, „Wir“ zu schreien und anschließend
abzutauchen. Dass die Unzufriedenen von heute auf diese Weise den
Kampf um Freiheit von 1989 verunglimpfen, ist besonders dreist. Die
in diesem Jahr so geehrten Vertreter der deutschen Revolution sind
beschämend still angesichts der Umtriebe vor ihrer Haustüre in
Dresden.

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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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