Südwest Presse: KOMMENTAR · ARMUT

Sozialer Stresstest

Flächendeckend bringt die Bundesregierung in diesen Tagen ihre
frohe Botschaft unters Volk: „Der Aufschwung kommt bei den Menschen
an.“ Doch Plakate sind geduldig – sie verraten oft nur die halbe
Wahrheit. Tatsache ist nämlich, dass die Armut in Deutschland auf
einem erschreckend hohen Niveau verharrt. Die Segnungen anhaltenden
Wachstums ergießen sich keineswegs automatisch auch über den
Bedürftigen, allen vermeintlich ehernen Gesetzen der Marktwirtschaft
zum Trotz. Die Politik muss der sozialen Gerechtigkeit also auf die
Sprünge helfen, wenn sich Armut gegenüber den therapeutischen
Heilsversprechen der Ökonomen als resistent erweist. Der Markt
produziert Wohlstand und Reichtum, aber er wendet nicht in
erwünschtem Maße die Risiken von Abstieg und Hoffnungslosigkeit ab,
obwohl die Binnenkonjunktur brummt und der Export boomt. Ohne
Umverteilung wird es also nicht gehen angesichts einer in den letzten
Jahren unverhältnismäßigen Anhäufung von Vermögen in wenigen Händen.
Dass Regierungen den Bankrott mächtiger Banken nicht zulassen dürfen,
weil sonst das gesamte Finanzsystem zusammenbricht, haben wir lernen
müssen. Können wir aber annehmen, dass Gesellschaften es aushalten,
wenn ein bedeutender Anteil der Menschen dauerhaft von Armut und
Ausgrenzung bedroht ist? Die Politik sollte es nicht auf einen
sozialen Stresstest ankommen lassen.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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