Südwest Presse: KOMMENTAR · BUNDESWEHR

Realitätsverlust

Wenige Wochen ist es erst her, da sinnierte
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen über eine
Wohlfühloffensive für ihre Soldaten – Leselämpchen in der Unterkunft
und familienfreundliche Teilzeit inklusive. Konnte man das noch als
publikumswirksame Ideen einer Sozialministerin in Flecktarn
belächeln, so darf man angesichts der Nachrichten, mit denen die
Bundeswehr in diesen Tagen von sich reden macht, getrost von
Realitätsverlust sprechen. Es geht ans Eingemachte. Fast täglich
machen Meldungen die Runde, die zeigen, dass Teile der Marine und der
Luftwaffe zu Bodentruppen wider Willen geworden sind. In einer Zeit,
in der Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht müde wird, die östlichen
Nachbarn ihrer Unterstützung zu versichern, muss von der Leyen
zugeben, dass die Bundeswehr ihre Verpflichtungen gegenüber der Nato
nicht mehr erfüllen kann. Und die Lösungsvorschläge ähneln einander:
So wie eine private Unternehmensberatung das Materialwesen auf
Vordermann bringen soll, will von der Leyen nun Flugzeuge leasen. Ob
sie an das neuerdings delikate deutsch-russische Joint-Venture
gedacht hat, mit dem die Bundeswehr bereits zwei
Antonow-Transportmaschinen nutzt? Wie die Ministerin angesichts
dessen Anfang des Jahres ein größeres militärisches Engagement
Deutschlands in der Welt fordern konnte, dürfte ihr Geheimnis
bleiben. Es zeugt zumindest von grober Unkenntnis, wo der
Kampfstiefel drückt.

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Ulrike Sosalla
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