Beweis der Stärke
Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Causa Wulff wird nach
der Entscheidung des Landgerichts Hannover wieder heftig diskutiert
werden: Rechtfertigt die Summe von 750 Euro ein Verfahren gegen ein
ehemaliges Staatsoberhaupt? War es nötig, dazu 100 Zeugen zu
vernehmen und eine rund 20 000 Seiten starke Ermittlungsakte
anzulegen? Wollten die Staatsanwälte nicht klein beigeben, um sich
nicht dem Vorwurf politischer Einflussnahme auszusetzen? Eine müßige
Diskussion. Christian Wulff muss sich nur dem Recht stellen, das für
jeden Beamten gilt – und das in Deutschland harte Maßstäbe an die
Unbescholtenheit seiner Staatsdiener anlegt. Eine Einladung zum
üppigen Abendessen, zwei teure Flaschen Wein als Geschenk – schon
setzt sich jeder Beamte dem Verdacht der Bestechlichkeit aus. Warum
sollte dies nicht auch und vor allem für den ersten Mann im Staate
gegolten haben? Der Prozessbeginn am 1. November ist die logische
Konsequenz aus einer Aneinanderreihung von politischen
Gefälligkeiten, Mauscheleien und Abhängigkeiten, die am Ende zu
Wulffs Rücktritt führten. Dass nun als Vorwurf eine lächerlich
klingende Summe übrig bleibt, schwächt die Anklage nicht ab. Es
beweist lediglich, dass Klüngelei und Filz strafrechtlich nur schwer
beizukommen ist. Der Prozess von Hannover ist deshalb ein Beweis der
Stärke unseres Rechtssystems – und nicht seiner Schwäche.
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