Neues Wir-Gefühl
Die Terroristen haben verloren. Weder gelang es ihnen, Frankreich
in blinde Panik zu versetzen, noch vermochten sie es, die Franzosen
gegeneinander aufzuhetzen. Nach dem Massaker in der Zeitung Charlie
Hébdo ging ein Ruck durch die zutiefst geschockte französische
Gesellschaft. Sie besann sich auf das, was sie verbindet: Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit. Des großen Marschs durch Paris bedurfte
es gestern gar nicht mehr, um diese verloren geglaubte Einigkeit zu
demonstrieren. Der Slogan „Ich bin Charlie“ war von Anfang an mehr
als der trotzige Schwur, sich von den islamistischen Gewalttätern
nicht einschüchtern zu lassen. Er war und ist der Ausdruck eines
neuen Wir-Gefühls. Natürlich sind die Standesdünkel der
Alteingesessenen gegenüber den schlecht integrierten Nachfahren der
Einwanderer aus Nord- und Südafrika nicht über Nacht verschwunden.
Ebenso wenig wie der Antisemitismus oder die Islamfeindlichkeit in
einem Land, wo die Chefin des offen islamophoben Front National zu
einer ernsthaften Präsidentschaftsanwärterin werden konnte. Doch „Ich
bin Charlie“ ist eine ganz bewusste Absage an jede Form von
Ausgrenzung und Diskriminierung. Die Franzosen haben in diesen
fürchterlichen Tagen Mut, Größe und Solidarität bewiesen. Und dass
die neue Zusammengehörigkeit mit dem Ende der unmittelbaren Bedrohung
wieder verschwindet, ist keineswegs ausgemacht.
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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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