Eine Rede mit Nachhall
Als Affront kann die Rede von Joachim Gauck vor türkischen
Studenten nicht gewertet werden. Aber der Bundespräsident hat klare
Worte gefunden, um sein Missfallen über die Entwicklungen in der
Türkei auszudrücken. Diese Rede dürfte nachhallen. Allein schon, dass
Gauck sie im Hörsaal einer linksliberal und weltlich geprägten
Universität hielt, sagt viel aus. Gauck wollte ein Zeichen setzen,
auch ein Zeichen des Zuspruchs für die türkische Zivilgesellschaft
und ihre Proteste. Von seiner persönlichen Lebensgeschichte her hätte
er die Türkei auch nicht verlassen können, ohne demokratische
Grundwerte wie die Meinungsfreiheit anzumahnen. Doch Gauck will sich
als Freund verstanden sehen, der Fragen stellt. Die Tür hat der
Bundespräsident nicht zugeschlagen. Seine Sorgen bettete er ein in
viel Lob: für das türkische Flüchtlings-Engagement, für den Versuch
einer ersten versöhnlichen Geste in Richtung Armenier, für die
wirtschaftlichen Erfolge. Dass Erdogan die Einladung zu einem offenen
und ehrlichen Dialog annimmt und dem Rat aus Deutschland folgt,
„generöser“ zu sein, ist allerdings unwahrscheinlich. Der
Ministerpräsident hat sich jüngst als höchst beratungsresistent
gegenüber Kritikern von innen und von außen erwiesen. Gauck hat
versucht, den Bogen zwischen Anerkennung und Unbehagen zu schlagen.
Es ist ihm gelungen. Erdogan dürfte indes am ehesten mit Trotz
antworten.
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