Südwest Presse: KOMMENTAR · KARENZZEIT

Dumm gelaufen

Gut gelaufen für Katherina Reiche: Die Parlamentarische
Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium wurde gestern zur neuen
Hauptgeschäftsführerin des Verbands kommunaler Unternehmen gewählt.
Ein einflussreicher und gut bezahlter Posten. Es ist aber auch dumm
gelaufen für die CDU-Politikerin: Genau am gleichen Tag brachte das
Bundeskabinett den Gesetzentwurf über Karenzzeiten für
Regierungsmitglieder auf den Weg, die zu Verbänden oder in die
Privatwirtschaft wechseln. Somit wird die 41-Jährige zum
Paradebeispiel dafür, was künftig nicht mehr so einfach möglich sein
soll: der direkte Seitenwechsel auf einen Posten, bei dem die
Erfahrungen und Beziehungen aus dem Regierungsamt entscheidend sind.
Wenn es in den nächsten Monaten keinen Massen-Exodus aus dem Kabinett
gibt, könnte Reiche die letzte sein, die ohne Prüfung und Auflagen
ein solches Amt antreten kann. Eigentlich sollte man von Politikern
erwarten, dass sie bei einem Wechsel selbst genug Fingerspitzengefühl
entwickeln. Leider fehlt es zu häufig, und das bei Vertretern aller
Parteien. Es hat viel zu lange gedauert, feste Regeln einzuführen.
Grundsätzlich muss allerdings ein Wechsel innerhalb einer absehbaren
Zeit möglich sein. Sonst sitzen in Parlament und Regierung nur noch
Berufspolitiker und Beamte, die sich jahrzehntelang an ihren Ämtern
festklammern. Wer will, dass sich Politik und Wirtschaft – oder auch
Kultur und andere Bereiche – besser verstehen, der muss daran
interessiert sein, dass es Seitenwechsler gibt. Was auch umgekehrt
gilt, nämlich für Quereinsteiger in die Politik, die sich nicht über
Jahrzehnte in Parteien hochgedient haben.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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