Südwest Presse: Kommentar: RAF

Verena Becker muss sich wegen Mordes vor Gericht
verantworten, nicht nur wegen Beihilfe. Diese Entscheidung des
Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart, die Anklage gegen die ehemalige
Terroristin der Roten Armee Fraktion (RAF) ohne Abstriche zuzulassen,
ist keine Überraschung. Zu umstritten sind die Geschehnisse im
Zusammenhang mit der Ermordung des damaligen Generalbundesanwalts
Siegfried Buback und seiner beiden Begleiter am 7. April 1977, zu
groß ist das öffentliche Interesse, zu prominent die Angeklagte, als
dass jede Einschränkung der Anklage den Verdacht der Vertuschung nach
sich gezogen hätte. Und auch die Wahl des Verhandlungsortes ist an
Symbolkraft kaum zu überbieten: Nicht das Dienstgebäude des OLG im
Stuttgarter Stadtzentrum, sondern der Sitzungssaal im Gefängnis in
Stuttgart-Stammheim soll es sein – eben jener Ort, an dem alle großen
RAF-Prozesse über die Bühne gingen. Das zeigt, mit welch großen
Erwartungen das Verfahren befrachtet ist. Ob das Ergebnis dem gerecht
wird, muss sich zeigen. Anlass zur Skepsis gibt es. Denn der
Bundesgerichtshof, der Ende vergangenen Jahres den Haftbefehl gegen
Becker aufhob, hat klar gesagt, wie wenig er von den Vorwürfen der
Bundesanwaltschaft hält. Vor allzu großen Hoffnungen, im Herbst doch
noch Licht ins Dunkel dieses düsteren Kapitels der deutschen
Nachkriegsgeschichte zu bringen, sei daher gewarnt.

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Lothar Tolks
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