Südwest Presse: Kommentar RAF

Zwei Tage noch bis zum Beginn des Mordverfahrens gegen
Verena Becker, ehemals Terroristin der Roten Armee Fraktion (RAF).
Nun melden sich all jene, die Jahrzehnte geschwiegen haben, um
ungefragt dem Gericht die Arbeit zu erleichtern: Verena Becker habe
am 7. April 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback
nicht erschossen, erklären sie dem staunenden Betrachter und lassen
ihn fragen: Warum haben sie das alles nicht früher gesagt? Wobei,
wohlgemerkt, nicht einmal die Ankläger davon ausgehen, dass Becker
die Schützin war. Es ist eine irritierende Liebe zur Aufklärung
ausgebrochen in einem Umfeld, das bisher dafür berüchtigt war, zu
mauern. Der Verfassungsschutz entdeckt, dass Becker zur Tatzeit in
Bagdad war. Der allzeit gesprächige Ex-Terrorist Peter-Jürgen Boock
nennt das angeblich „Humbug“, und Silke Maier-Witt dementiert, ihren
einstigen Mitkämpfer in der RAF, Stefan Wisniewski, bezichtigt zu
haben, der Todesschütze gewesen zu sein – eine Version, die Boock vor
Jahren aufgetischt hat. Ein Szenario, das an das Vorgeplänkel des
offiziellen Wiegens im Boxsport erinnert und nichts Gutes ahnen
lässt. Es dämpft alle Hoffnungen, in diesem möglicherweise letzten
großen RAF-Prozess könnten neue historische Erkenntnisse ans Licht
kommen. Im Dickicht der halben Informationen scheint nur eines schon
gewiss: Dieses Verfahren wird ein Spektakel. Der Wahrheitsfindung
dient das nicht.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218