Südwest Presse: KOMMENTAR · SACHLEISTUNGEN

Eine Scheinlösung

Ausgerechnet eine Rolle rückwärts soll den Fortschritt bringen.
Auf Drängen Bayerns sollen Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen
kein Taschengeld mehr erhalten, sondern, wie in früheren Jahren, nur
noch Waren. Zigaretten, Hygieneartikel oder Malstifte für Kinder
werden dann von staatlichen Mitarbeitern bestellt und abgegeben –
natürlich streng kontrolliert. Schließlich wird auch weiterhin kein
Asylbewerber mehr als das Nötigste bekommen. Es soll ungemütlich
werden in Deutschland, vor allem für Menschen vom Balkan. Macht Euch
erst gar nicht auf den Weg, heißt die Botschaft hinter der Aktion.
Mit dem Taschengeld soll – so wird suggeriert – der Anreiz zur Flucht
entfallen. Aufbrechen in eine ungewisse Zukunft für 140 Euro im
Monat? Das Geld war und ist keine Luxusgabe. Es ist Bestandteil zur
Sicherung des Existenzminimums in Deutschland. Doch es eröffnete den
Flüchtlingen einen Hauch von Individualität, weil nicht jeder
Rasierschaum braucht oder Tabak, weil der eine lieber Bus fährt, ein
anderer läuft und dafür einmal mehr mit seinen Angehörigen
telefoniert. Den Bundesländern ersparten die Barauszahlungen Kosten.
Das Sachleistungsprinzip erfordert Personal oder zieht Mitarbeiter
von Aufgaben ab, die jetzt viel dringender zu erledigen wären.
Nämlich die Erfassung und Bearbeitung von Asylanträgen, die
Unterbringung von aufnahmeberechtigten Menschen und die Abschiebung
jener, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben. Statt Geduld
aufzubringen werden Scheinlösungen präsentiert. Sie sollen
Handlungsstärke zeigen. Dabei sind sie vor allem teuer. Bringen wird
diese Abschreckung nichts.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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