Südwest Presse: KOMMENTAR · SAUDI-ARABIEN

Stunde der Heuchler

Lässt Nordkoreas Diktator Oppositionelle hinrichten, attackiert
Russland völkerrechtswidrig ein Nachbarland, dann ist die Regierung
in Berlin mit den gebotenen Distanzierungen schnell bei der Hand.
Eliminiert aber das saudische Königshaus Kritiker oder terrorisiert
es den Jemen mit Luftschlägen, dann hört man nur Flötentöne von der
Spree. Es ist die Stunde der Diplomatie – sprich: Es wird geheuchelt
auf Teufel komm raus. „Die bilateralen Beziehungen zwischen
Deutschland und Saudi-Arabien sind traditionell eng und im
Allgemeinen spannungsfrei“ beschreibt das Auswärtige Amt korrekt
Berlins Haltung zum absolutistischen Herrscherclan in Riad.
Vize-Kanzler Gabriel erwies dem Königshaus im Frühjahr mit einer
hundertköpfigen Delegation vorwiegend aus der Wirtschaftswelt die
Ehre. Der bayerische Staatsmann Seehofer verstieg sich nach seiner
Audienz dort im April sogar zur Äußerung, der saudische König Salman
habe „überzeugend“ sein politisches Hauptziel vertreten, „dass in
dieser Region die Menschen friedlich zusammenleben“. Der Prediger
Nimr al-Nimr war da bereits zum Tode verurteilt, der aufmüpfige
Blogger Raif Badawi von Staats wegen verprügelt und im Jemen auch
viele Zivilisten durch die königliche Luftwaffe massakriert worden.
Auch dass die Kriegskasse des IS nicht zuletzt aus saudischen Quellen
gespeist wird, wusste man längst. Als „Realpolitik“ wird oft
verbrämt, wenn man um lukrativer Geschäfte willen jeglichen humanen
und demokratischen Anspruch fallenlässt. Doch diese Art von
„Realpolitik“ des Westens hat nicht wenig dazu beigetragen, dass
jetzt fast der ganze arabische Raum in Flammen steht.

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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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