Eine Rechnung offen
Die überraschende Bombenwarnung der britischen Regierung hätte
Ägypten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt treffen können. Erst
kürzlich versicherte die Armeeführung der Bevölkerung, nun auch den
unruhigen Nordsinai unter Kontrolle gebracht zu haben. Und Präsident
Abdel Fattah al-Sisi bereitete sich nach Frankreich, Italien und
Deutschland gerade zu einem weiteren Staatsbesuch auf europäischem
Parkett – diesmal in Großbritannien. Umso heftiger trifft der Absturz
der russischen Urlaubermaschine zusammen mit der Hiobsbotschaft aus
London jetzt die bevölkerungsreichste arabische Nation. Erstmals
nimmt der „Islamische Staat“ nun auch Urlauber ins Visier und nicht
mehr vor allem Polizisten und Soldaten. Wie in Tunesien könnten die
Extremisten bald auch am Nil und am Roten Meer die gesamte
Ferienindustrie auf die Knie bringen, die zu ihren besten Zeiten 1,5
Millionen Menschen und ihren Familien Arbeit und Einkommen
garantierte. Zudem erweisen sich Ägyptens Präsident Sisis
Behauptungen zum Sinai fern jeder Realität. Denn mit dem
rücksichtslosen Bombardement der Armee gegen die beduinische
Zivilbevölkerung haben immer mehr Einheimische der kargen Halbinsel
mit dem Regime in Kairo eine Rechnung offen. In Rafah an der Grenze
zum Gazastreifen wurde die halbe Stadt dem Erdboden gleichgemacht und
die Einwohner über Nacht davongejagt. Das sind die Erfahrungen, aus
denen heraus sich Menschen anheuern lassen, um Ungeheuerliches zu
tun. Wie offenbar ein Mitarbeiter im Urlauberflughafen von Scharm el
Scheich, der letzten Samstag wahrscheinlich den Sprengstoff an Bord
schmuggelte.
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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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