Kohl für alle
Helmut Kohl im O-Ton. 630 Stunden lang. Mal ehrlich: Wer hält das
überhaupt aus? Schließlich durften wir 16 Regierungsjahre lang
erleben, wie dieser Kanzler der Einheit alles an sich abprallen ließ.
Ist es da so schlimm, dass das Oberlandesgericht Köln dem Altkanzler
die volle Herrschaft über Tonbänder, die Grundlage einer Biografie
sein sollten, zuspricht? Ja. Dass Helmut Kohl versucht, seinen Platz
in den Geschichtsbüchern aktiv zu gestalten, ist zwar verständlich.
Und dass ein Staatsmann, der offen mit seinem Biografen spricht, das
eine oder andere nicht gedruckt sehen will, ist üblich. Doch was
wirklich los war in der Zeit des schwarzen Riesen, das wollen viele
zu Recht wissen – nicht nur Historiker. Seine Geschichte und sein
politisches Vermächtnis gehören Helmut Kohl nicht alleine. Dafür ist
er zu bedeutend. Sein Nachlass gehört nicht in einen Oggersheimer
Keller, sondern in die Obhut einer Institution. Material, das für das
Verständnis weltpolitischer Ereignisse wichtig sein kann, sollte
zumindest der Fachwelt zugänglich sein – wenn nicht sogar allen. Das
hat das Gericht mit seinem formal sicher zutreffenden Hinweis auf das
Urheberrecht zu leicht vom Tisch gewischt. Kohls exzessiv zelebrierte
Kontrolle – der Prozess um die Bänder gehört dazu – mag seinem
eigenen Geschichtsbild schmeicheln, zementiert aber zugleich den
bleiernen Nachgeschmack einer ganzen Ära. Doch selbst das wird er
aussitzen.
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