Südwest Presse: KOMMENTAR · USA/IRAN

Quertreiber aus dem Senat

US-Vizepräsident Joe Biden traf den Nagel auf den Kopf: Jener
Brief an Teheran, mit dem 47 Senatoren versuchen, ein Atomabkommen
mit Iran zu torpedieren, liegt unter der Würde des Oberhauses im
amerikanischen Kongress. Schließlich verstanden sich Senatoren früher
als Staatsmänner, der Respekt vor dem Präsidial-amt und anderen hohen
Institutionen war sakrosankt. In jener restlos vergifteten
politischen Atmosphäre, die derzeit den politischen Alltag in
Washington prägt, gehören derartige Gepflogenheiten aber zweifellos
der Vergangenheit an. Obwohl das Weiße Haus ebenso wie die Regierung
in Teheran die Ansicht vertreten, dass sich die Republikaner mit
diesem peinlichen Drama der Lächerlichkeit preisgeben, könnte der
offene Brief tatsächlich Wirkung entfalten. Denn so nassforsch der
dreiste Bruch mit dem Protokoll auch ist, führt er Gegnern des
Abkommens konkret vor Augen, wie wertlos ein Deal zwischen der
iranischen Regierung und der 5 plus 1 Gruppe sein könnte. Das kann
den Kritikern, ob in Washington, Teheran oder Tel Aviv, weiter den
Rücken stärken. Was passiert etwa, wenn der Kongress, der nun
komplett von Republikanern beherrscht wird, die Bedingungen ändert?
Was, wenn ein künftiger Präsident das gesamte Abkommen kippt? Hieße
dieser beispielsweise Jeb Bush, was nicht undenkbar ist, dann könnte
Präsident Barack Obamas möglicher Prestigeerfolg schwer ins Wanken
geraten. Den Republikanern geht es vorrangig darum, eine potenzielle
Säule von Obamas politischem Vermächtnis zu Fall zu bringen. Nicht
auszuschließen ist mittlerweile, dass ihnen dies früher oder später
auch gelingt.

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Ulrike Sosalla
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