Teure Nachhilfe
Zigtausend Euro Entschädigung für vier Schwerverbrecher? Muss das
sein? Es muss sein. Denn Deutschland hat die Männer aufgrund
rechtswidriger Gesetze über ihre Haft hinaus hinter Gittern gehalten
– jahrelang. Das hatte der Europäische Gerichtshofs für
Menschenrechte in Straßburg festgestellt, und das Oberlandesgericht
(OLG) Karlsruhe zog gestern daraus die Konsequenz. Jene in Staat und
Gesellschaft, deren Ansicht „Wegsperren – und zwar für immer“ lautet,
werden sich schwertun mit einer Rechtsprechung, die moralische
Entrüstung nicht gelten lässt und an internationale Standards
erinnert. Doch die Europäische Menschenrechtskonvention gilt ohne
Wenn und Aber – auch in Deutschland, das zu den ersten Unterzeichnern
gehört. Schon der laxe Umgang der deutschen Justiz mit der
Folterdrohung des ehemaligen Frankfurter Polizei-Vize Wolfgang
Daschner im Entführungsfall Jakob von Metzler hatte deutliche Rügen
des Menschenrechtsgerichtshofs zur Folge. Die Anregung des OLG, die
Kläger könnten mit der Entschädigung Opfern helfen, legt nahe, dass
die Richter gerne anders entschieden hätten. Doch das Geld gebührt in
jedem Fall denen, die zu lange im Gefängnis saßen: den Tätern. Alles
andere würde dem Sinn einer Haftentschädigung zuwiderlaufen. Das
Land, das das gestrige Urteil nicht akzeptiert, will es ganz
offensichtlich wissen – höchstrichterliche Nachhilfe inklusive.
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Lothar Tolks
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